Für die einen ist es das Smartphone 2016 schlechthin, für die anderen der Flop 2016. Die Gemüter streiten sich darum, ob LG mit dem G5 nun ein wirklich gutes Smartphone gelungen ist, oder ob die Hardware dann doch zu wünschen übrig lässt. Dieser Testbericht verrät dir, wie Android User das LG G5 sieht und wo seine wahren Stärken und Schwächen liegen.
Das Konzept eines modularen Smartphones geistert schon länger in mehreren Köpfen herum. Während es Project Ara von Google auf nicht viel mehr als ein paar halbwegs funktionierende Prototypen gebracht hat, zeigt LG mit dem G5 ein für die Massenproduktion taugliches Gerät.
Die Modularität unterscheidet sich aber freilich von Project Ara gewaltig, denn bei LG gibt es keine austauschbare Kamera oder gar einen austauschbaren Chipsatz, einzig der Akku und die Unterseite des Geräts lassen sich entfernen und mit alternativem Zubehör ausrüsten. Zudem halten sich auch diese Alternativen noch recht zurück: Gerade mal zwei wurden in Barcelona gezeigt: Ein externes Akkupack, das die Funktionalität der Kamera erhöht (zum Testbericht) und ein Audio-Modul in Zusammenarbeit mit B&O, das für sensationellen Klang sorgen soll.
Hey, es ist einfach ein Smartphone!
Lassen wir die Möglichkeiten des Modulschachts mal außen vor, dann ist das G5 einfach ein schönes Smartphone. LG hat sich beim Design wieder von der kantigen Linie des G4 verabschiedet und auch das Display von 5,5″ auf 5,3″ verkleinert. Optisch ist es somit eher ein Nachfolger für das G3. Die kompletten technischen Daten und Benchmark-Resultate zum LG G5 findest du über diesen Link.
Einen weiteren Unterschied gegenüber dem G4 stellt der verbaute Chipsatz dar: Während LG beim G4 auf den Snapdragon 808 mit sechs Kernen auswich, weil der Snapdragon 810 mit Anfangsproblemen zu kämpfen hatte, kommt im G5 wie bei der Konkurrenz der Snapdragon 820 zum Einsatz, dazu noch mit voller Pulle auf maximal 2,15 GHz getaktet.

Beim Design des LG G5 gibt es zwei Punkte hervorzuheben, die außerordentlich gelungen sind: Das Gorilla Glass 4 wölbt sich beim oberen Speaker leicht gegen hinten. Das macht das G5 optisch nicht nur schlanker und verleiht ihm einen schmalen Rand, sondern sorgt auch dafür, dass Wischgesten von oben butterweich ablaufen, sodass es eine Freude ist. Und genau diese Geste nehme ich zum Beispiel täglich mehrmals vor, um die Benachrichtigungen zu öffnen.
„Bei keinem anderen Smartphone klappt das Öffnen der Benachrichtigungen so butterweich, wie beim LG G5!“
Der zweite Punkt betrifft die Ergonomie: Das LG G5 lässt sich problemlos ohne Case benutzen. Es liegt gut und sicher in der Hand und man muss keine Angst haben, dass es einem aus den Fingern gleitet. Unabhängig davon kann man das G5 natürlich mit einer Schutzhülle zusammen benutzen, denn die Kameras und der Fingerprint-Reader auf der Rückseite stehen leicht hervor, sodass ein Case durchaus für eine noch bessere Haptik sorgen kann.
A propos Fingerabdrucksensor: Dieser dient auch als Rear-Key wie von früheren LG-Smartphones her gewohnt. Man muss den Sensor aber nicht drücken, um das Gerät zu entsperren, sondern einfach wie beim Nexus 5X den Finger auf den Sensor halten. Leider beherrscht er keine Touchscreen-Funktionen wie beim Mate S von Huawei. Es ist also nicht möglich, über den FAS die Benachrichtigungen zu öffnen oder in der Galerie zum nächsten Foto zu wechseln.
Vom bisherigen Rear-Key entfernt hat LG die Lautstärkewippe, die sich nun am linken Rand des Geräts befindet. Persönlich finde ich diese Anordnung perfekt.

Auf der Oberseite des G5 hat LG den Kopfhörerausgang und den IR-Blaster sowie ein Mikrofon untergebracht, die Unterseite birgt den USB Type-C Anschluss, ein weiteres Mikrofon und einen sehr guten Speaker. Rechts unten findet sich der Einschub für die microSD-Karte und eine Nano-SIM, zur linken Seite gibt es oben die Laustärkewippe und ganz unten einen Button, um den Akku zu wechseln.

Die vorhandenen Knöpfe verfügen über einen angenehmen Druckpunkt und generell gibt es an der Verarbeitung des G5 nichts auszusetzen, dazu weiter unten mehr. Ein Detail, das mir besonders gut gefallen hat: Der SIM-Slot ist so konstruiert, dass die eingesetzten Kärtchen beim Herausnehmen nicht gleich herausfallen.

LG hat aus dem Fehler beim Nexus 5X gelernt und legt dem G5 ein konventionelles (Quick-Charge fähiges) Ladegerät mit USB Typ-A und ein entsprechendes Kabel von Typ-C auf Type-A bei. Du kannst dein Smartphone also auch am PC laden bzw. Daten übertragen ohne dazu noch ein zweites Kabel kaufen zu müssen.
Sweet, sweet Marshmallow
Die beste Hardware nützt nichts, wenn die Software, die darauf läuft nichts taugt. Dieses Problem trifft auf das LG G5 zum Glück überhaupt nicht zu, im Gegenteil: Das Marshmallow von LG bereitet richtig Freude. LG hat sich beim G5 und der UX 5.0 zum ersten Mal dazu entschlossen, einen Launcher ohne separaten App Drawer einzusetzen. Sämtliche Apps befinden sich also auf den Homescreens. Dennoch wirkt das G5 bei der ersten Benutzung extrem aufgeräumt, denn die Apps sind bereits in Ordnern vorsortiert. Wer lieber einen Launcher mit App Drawer bevorzugt, wechselt zum Nova Launcher oder einem anderen alternativen Launcher. Es gibt zudem auch einen entsprechenden Hinweis beim ersten Setup, mit der Möglichkeit zu einem komplett vereinfachten Homescreen zu wechseln.

Doch was macht eine gute Software aus? Zunächst mal ein flottes System, das sich praktisch keine Hänger leistet. Etwas anderes haben wir in dieser Preisklasse und bei diesem Prozessor aber auch nicht erwartet, schließlich bringt es der verbaute Snapdragon 820 im Antutu-Benchmark auf über 130.000 Punkte. Die echten Perlen liegen in den Details: Zum Beispiel beim Anschließen des Smartphones an den PC. Hier hat Google die Spielregeln für Android 6.0 aus Sicherheitsgründen so geändert, dass man stets auswählen muss, dass man eine Datenverbindung via USB herstellt. In der Grundeinstellung wird das Smartphone nur geladen. Bei LG lässt sich hingegen wie unter Lollipop und den früheren Versionen festlegen, dass eine bestimmte Aktion per Default ausgeführt wird.

Ein anderes Beispiel betrifft den Lockscreen. Wer auf die Möglichkeit des Entsperrens durch den Fingerprint-Sensor verzichten möchte und auch keine Benachrichtigungen auf dem Sperrbildschirm wünscht, der kann das Gerät beim Aktivieren sogleich entsperren. Die bei anderen Herstellern übliche Wischgeste, um überhaupt an das Entsperrmuster heranzukommen, entfällt.

Ebenfalls gefallen hat mir das 24-Stunden-Recovery-Feature bzw. der Papierkorb für Apps: Wenn du eine App löscht, wird diese zunächst für 24 Stunden quasi eingefroren. Solltest du dich anders entscheiden (oder die App aus Versehen gelöscht haben), dann kannst du sie über die App „Kürzlich deinstallierte Apps“ wieder herstellen (inklusive Nutzerdaten). Für einen sicheren Löschvorgang musst du die Apps also innerhalb der App definitiv löschen.

Sämtliche Neuerungen von Marshmallow bzw. der neuen LG Software sind zudem gut erklärt. Beim Aufrufen einer neuen Funktion erscheint jeweils ein sehr verständlicher Dialog, sodass auch Einsteiger, die mit der Materie weniger gut vertraut sind verstehen, worum es dabei geht.
Gut gefallen hat mir auch, das UX 5.0 beim Verschieben von App-Icons oder beim Platzieren von Widgets ein Raster anzeigt. Das erleichtert die genaue Platzierung ungemein.
Last but not least gibt es auf dem Homescreen ein App-Icon „Quick Help“ das nicht nur die am meisten nachgefragen Begriffe erklärt, sondern auch als eine Art alternatives Handbuch fungiert. Die App selbst reagiert allerdings recht träge, was aber vermutlich am dahinterliegenden Online-Angebot liegt (die Seiten brauchen lange zum laden), nicht am G5 selbst.

Weniger gut hat mir gefallen, dass sich LG wie Samsung dazu entschieden hat, die Möglichkeiten der microSD-Karte wie unter Android 5.1 zu belassen. Es gibt also in der Grundeinstellung keine Möglichkeit, eine SD-Karte als internen Speicher zu formatieren. Doch auf der Kommandozeile lässt das Ganze problemlos einrichten, folge einfach den Anweisungen in unserem separaten Artikel zum gemischten Modus für microSD-Karten unter Android 6.0.

Persönlich finde ich zudem die Buttons am unteren Rand etwas zu groß und zu dominant, in den Einstellungen findet sich aber eine Möglichkeit, die Leiste per App zu verbergen. Einen kompletten Vollbildmodus, wie ihn zum Beispiel Nvidia für das SHIELD Tablet realisiert hat, gibt es hingegen keinen.
Letzer Kritikpunkt: LG lässt bei der Tastatur die Swype-Funktion in der Grundeinstellung ausgeschaltet. Gut möglich, dass das Feature einige Nutzer verwirrt, persönlich benutze ich die Wischschreibweise aber sehr gerne.
Die vorinstallierten Bloatware-Apps halten sich in Grenzen: Abgesehen von den LG-eigenen Apps sind lediglich Facebook, Instagram und Evernote fest vorinstalliert und lassen sich nur mit Root-Rechten entfernen.
Kamera & Audio
LG hat sich beim G5 für ein ganz spezielles Kamera-Setup bestehend aus einem Weitwinkelobjektiv mit 8-MP-Sensor und einem normalen Objektiv mit 16-MP-Sensor entschieden. Die 16-MP-Kamera verfügt zudem über optische Bildstabilisierung. Die beiden Kamera-Module gehören zu den aktuell besten überhaupt und schlagen sich nicht nur bei Sonnenschein und gutem Wetter hervorragend, sondern auch bei etwas schlechteren Lichtverhältnissen. Dank Weitwinkelobjektiv bringst du zudem jedes Motiv aufs Bild.

Die Kamera des G4 war schon nicht von schlechten Eltern, vor allem die Kamera-App von LG. Mit dem G5 schafften es die Koreaner, App und Hardware noch einmal zu verbessern, auch wenn das 16-MP-Modul auf dem Papier über die gleichen Specs wie beim G4 verfügt!
Ich gehe an dieser Stelle auf die Möglichkeiten der Kamera nicht genauer ein. Lies dir am besten meinen Vergleichstest der beiden Objektive im LG G5 durch. Wenn alles klappt, werde ich in den nächsten Tagen zudem auch noch das CamPlus-Modul für das G5 testen und dann weitere Fotos als Samples schießen.
Absolut positiv überrascht war ich von der Soundqualität des verbauten Speakers. Ich ging eigentlich nur vom typischen Krächzen eines Mono-Speakers aus, aber der Sound ist vor allem was die Höhen anbelangt sehr gut. Das kommt vor allem bei klassischer Musik und gesangslastigen Sounds sehr schön zur Geltung. Ein kleiner blecherner Beiklang ist mit dabei, stört aber erst, wenn du das G5 voll aufdrehst. Bei Bässen sieht es verhältnismäßig mager aus, aber hier habe ich vom verbauten Speaker auch keine Höchstleistungen erwartet.
„Der verbaute Speaker ist erste Sahne!“
Die Klangausgabe über Kopfhörer (im Lieferumfang befindet sich auch ein Headset) ist sehr gut, auch die Gesprächsqualität via Headset oder über den integrierten Speaker bei Freihandbedienung verdient die Note „sehr gut“.
Kritikpunkte
Natürlich lese ich auch andere Webseiten und bin mir durchaus im Klaren, dass einige Kollegen am LG G5 kein gutes Haar lassen, vor allem aufgrund der Übergänge zwischen dem eigentlichen Smartphone und des modularen Schachtes. Das gleiche Gejammer hinsichtlich Verarbeitungsfehler gab es auch beim Galaxy S6 edge und gibt es bei fast jedem Top-Smartphone. Fakt ist, dass ich an meinem Testgerät von LG nach rund zwei Wochen Testzeitraum recht wenig auszusetzen habe. Die Verarbeitung ist top, die Spaltmaße halten sich in Grenzen und sind bei der täglichen Nutzung absolut irrelevant. PUNKT!
Allerdings habe ich mein G5 auch nicht im freien Handel gekauft, sondern von LG als Leihstellung bekommen. Es ist also gut möglich, dass mein Testgerät etwas besser aussieht, als das durchschnittliche Retail-Gerät, muss aber nicht sein. Hier lohnt es sich deshalb, das Gerät entweder im stationären Handel zu kaufen und sich ein besonders gut gelungenes auszusuchen, oder bei Amazon zu bestellen (aktuell 620 Euro) und die Bestellung im Notfall zurückzuschicken, sollten die Spaltmaße zu groß ausfallen.

Angenommen, LG hätte auf die Innovation verzichtet, den Akku fest verbaut und ein „echtes“ Unibody-Gerät geschaffen, dann hätte es vermutlich ebenso viel Kritik gehagelt von wegen mangelnde Innovation etc.
Persönlich gefällt mir nicht nur die Idee der Module, sondern auch das Gerät selbst. Weil ich aber die Langzeithaltbarkeit des Moduls nicht abschätzen kann, gibt es beim Haben-Will-Faktor dennoch 0,5 Punkte Abzug auf die maximale Punktzahl. Eine gewisse Unsicherheit bleibt hier einfach. Spätestens wenn LG ein wirklich gutes Foto-Modul auf den Markt bringt, das nicht nur über einen externen Akku sondern auch über eine perfekte Haptik verfügt, wird das LG G5 aber das Lieblingssmartphone von Hobby-Fotografen werden, da bin ich mir recht sicher.

Die Akkulaufzeit (im üblichen Rahmen von bis zu 24 Stunden bei intensiver Nutzung) könnte ein bisschen länger ausfallen und der Übergang vom Gerät selbst zum Modul könnte noch perfekter sein. Aber das sind Klagen auf hohem Niveau, die ich persönlich selbst bei einem Preis von über 600 Euro übertrieben finde. Schlimmer finde ich da hingegen die rund 2 mm Bezel ums Display herum. Es muss ja nicht komplett randlos sein, aber das sieht einfach nicht sehr sexy aus und ist kein Fortschritt gegenüber dem G3, das ja im Prinzip die gleiche Form aufweist.
Das Display des LG G5 ist keineswegs zu dunkel, sondern die automatische Helligkeitsregelung arbeitet sehr aggressiv. Einfach mal ausschalten oder nach draußen in die Sonne gehen, dann erstrahlt es so richtig. Einen Vorwurf muss man ihm aber dennoch machen: Die Farben sind etwas mau, im direkten Vergleich mit einem AMOLED-Panel sogar sehr mau. Hier lässt sich aber via Software-Update und Root-Tweaks bestimmt noch etwas machen.
„32 GByte Speicher sind für die Preisklasse nicht mehr zeitgemäß!“
Das Preisleistungsverhältnis trübt trotzt microSD-Slot der für ein Flaggschiff mickrige Speicher von 32 GByte. Für alles, was über 600 Euro kostet, ist das schlicht nicht mehr zeitgemäß. Hier hat LG meiner Meinung nach am falschen Ende gespart.
Fazit
LG kehrt mit dem LG G5 zum Design des G2 und des G3 zurück, setzt aber auf ein neues Konzept mit modularem Akkuschacht und einem Unibody-Gehäuse aus Alu. Zwischen dem LG G4 (Testbericht) und dem LG G5 liegen Welten. Nicht nur hinsichtlich Form, Haptik und Design, sondern auch bei der Kamera und dem verbauten Lautsprecher schneidet das G5 deutlich besser ab.
Ob das G5 als Flop oder Erfolg in die Geschichte eingehen wird, hängt auch von den LG Friends ab. Denn die zwei bisher vorgestellten Module konnten mich in Barcelona nicht wirklich überzeugen. Wird es LG nicht gelingen, wirklich spannende Module auf den Markt zu bringen (zum Beispiel eine Wärmebildkamera, wie beim CAT S60), dann bringt der ganze modulare Aufbau nichts und LG hätte sich jede Menge Arbeit ersparen und den Akku einfach fest im Unibody-Gehäuse verbauen können.
Dennoch bleibe ich dabei: Das LG G5 (Amazon-Preis 620 Euro) ist auch ohne Friends ein sehr gutes Smartphone und schneidet in sämtlichen Bereichen besser ab als das G4. Für LG-Fans, denen es zu teuer ist, bleibt als Alternative das Nexus 5X (Testbericht) zum halben Preis (Amazon-Preis 300 Euro), freilich ohne microSD-Slot und ohne wechselbaren Akku.
Für die hervorragende Performance, den sehr guten Sound, das schöne Display und das innovative Kamera-Konzept inklusive Modulschacht holt sich das LG G5 4,6 von maximal 5,0 Punkten und somit die Note „ausgezeichnet“.