Das „normale“ Galaxy S6 führt aktuell neben dem Galaxy S6 edge und dem LG G4 schon fast ein Schattendasein. Dabei hat Samsung sich beim S6 nicht nur hinsichtlich des eigenen Exynos-Chipsatz selbst übertroffen, sondern auch beim Design und der Verarbeitung neue Maßstäbe gesetzt. Wo die Stärken und Schwächen des Samsung-Handys liegen, verrät dir unser Testbericht.
Einen Monat nach Veröffentlichung eines Geräts einen Testbericht zu verfassen, ist für einen Blogger etwa vergleichbar damit, wenn ein Sportreporter über die vergangene WM berichten müsste. Doch oft bringt es mehr, sich abseits vom Hype ein eigenes Bild über ein Smartphone zu machen und es wirklich erst nach ausgiebiger Praxisnutzung zu beurteilen. Meinen ersten Eindruck vom Galaxy S6 und vom Galaxy S6 kannst du hier auf der Android-User-Homepage und in Android Power User #06 lesen. Hier nun quasi die Essenz nach etwas mehr als drei Wochen Nutzung.
Erster Eindruck
Dieser Testbericht bezieht sich auf die internationale Version des Samsung Galaxy S6 (SM-G920F). Ich hatte das SGS 6 in Weiß als Leihstellung von 1&1 bekommen. Die Software unterscheidet sich nicht von den Galaxy-S6-Versionen im freien Handel. Das Handy ist SIM-Lock frei — aber wie bei Samsung üblich mit einer Regionssperre versehen — und läuft aktuell (noch) mit Android 5.0.2. Das Update auf Android 5.1 ließ im Testzeitraum bis am 10. Juni noch auf sich warten.
Das Galaxy S6 macht einen sehr guten und soliden Eindruck. Von Mängeln wie beim Galaxy S6 edge im Netz beschrieben, konnte ich an meinem Testgerät nichts feststellen. Das Display gehört zu den besten, die ich je gesehen habe und wirkt überhaupt nicht nach AMOLED. Ich wage sogar zu behaupten, dass im „Blindtest“ neun von zehn Nutzern es nicht für einen AMOLED-Screen halten würden.
Auch an der Performance des vorinstallierten Lollipop-Systems gibt es nichts auszusetzen. Alles andere hätte mich aber auch stark verwundert, denn dank des Exynos-7240-Prozessors besitzt das Galaxy S6 mächtig Dampf unter der Haube. Über 55.000 Zähler beim AnTuTu-Benchmark und 5000 Punkte mit dem hauseigenen Browser im Vellamo-HTML-Test sind absolute Spitzenresultate, die nur vom Tegra K1 von Nvidia noch getoppt werden. Die kompletten technischen Daten und genauen Benchmark-Ergebnisse sowie unser Rating des Samsung Galaxy S6 findest du auf der Android-User-Homepage.

Die Gesprächsqualität ist auf beiden Seiten der Leitung sehr gut, für mich persönlich ist die Rauschunterdrückung sogar schon etwas zu gut. Den Fingerprint-Reader habe ich zwar kurz getestet, aber nicht aktiv genutzt. Nach 30 Minuten Gartenarbeit erkannte das SGS6 meinen Daumen erst beim achten Versuch. Hier bleibe ich lieber beim gewohnten Entsperrmuster, auch wenn der Entsperrvorgang wirklich bequemer ist.
Lollipop
Samsung bleibt sich treu und setzt auch beim Galaxy S6 auf die hauseigene grafische Oberfläche Touchwiz. Diese sieht aber dank Android 5 und einem für asiatische Verhältnisse dezenten Thema dem Google-Lollipop recht ähnlich. Auch sind die meisten Samsung-Apps inzwischen dem Material Design angepasst, sodass sich eine mehr oder weniger einheitliche Software-Landschaft ergibt — so einheitlich diese unter Android sein kann. Wer von KitKat auf das Galaxy S6 umsteigt, muss sich an die neue Oberfläche erst einmal gewöhnen, mir selbst bereitete sie keine Probleme. Diese hatte ich dafür mit einigen Apps, die ohne Samsung-Apps-Konto partout nicht (korrekt) funktionieren wollten. Zum Beispiel die eigene Health-App oder der Theme-Support. Letzterer ist eine nette Sache, macht aber aktuell mehr Probleme als Freude. Alternative Launcher verfügen über einen weitaus besseren Theme-Support mit deutlich mehr Icons und Optionen. Aber immerhin: es ist ein Anfang.


Sehr schön gemacht ist auch das digitale Magazin bzw. die Flipboard-App, die sich bei einer Wischgeste nach rechts öffnet. Mit Google Now können die Inhalte freilich trotz tollem Design nicht mithalten, da sie nicht wirklich auf die Interessen des Lesers zugeschnitten sind.

An vielen Stellen gibt es kleine Detailverbesserungen wie zum Beispiel der integrierte Wetterbericht im S Planner. Weiterhin sehr viel Nachholbedarf besitzt S Voice. Google verfügt einfach über die mit Abstand beste Spracherkennung. Es ist nur ein schwacher Trost, wenn ich mit dem Galaxy S6 mein „Hotword“ für den Start der Sprachsteuerung selbst festlegen kann, wenn das SGS6 es anschließend nicht korrekt erkennt. Abgesehen von kleinen Nuancen wie dem neuen Wetter/Uhren-Widget unterscheidet sich Android 5 auf dem SGS6 nicht wirlich von Lollipop auf dem Galaxy S4/S5 und anderen Galaxy-Modellen.
Die beste Kamera
Zu den Highlights des Galaxy S6 gehört neben dem Display und dem gelungenen Design ohne Zweifel die verbaute 16-Megapixelkamera mit Sony-Sensor (zumindest war in meinem Testgerät ein solcher verbaut und kein Samsung-eigener). Es gibt kaum eine Situation, in der du mit dem Galaxy S6 nicht ein brauchbares Foto schießen könntest.

Der Automatikmodus ist so gut, dass eigentlich jedes Foto gelingt. Deshalb würde ich die Kamera des Galaxy S6 als aktuell beste Smartphone-Kamera bezeichnen. Im direkten Vergleich mit dem LG G4 ist die Bildqualität im Durchschnitt deutlich besser, allerdings lässt sich beim G4 mit Können noch etwas mehr aus der Hardware herausholen und das LG G4 unterstützt auch von Haus aus mit der eigenen Kamera-App das Fotografieren im RAW-Format. Zur Qualität der Kamera im Verhältnis zum LG G4 findest du bei uns auch einen ausführlichen Fotovergleich mit dem Galaxy S6. Ebenfalls erste Sahne sind auch die mit dem Galaxy S6 aufgenommenen Videos. Hier gibt es wirklich nichts zu kritisieren.

Akkulaufzeit
Viele Samsung-Nutzer klagen darüber, dass die Akkulaufzeit seit dem Lollipop-Update drastisch schlechter geworden ist. Ob das auch für das SGS6 mit KitKat gelten würde, werden wir wohl nie erfahren. Aktuell bietet das Galaxy S6 eine solide Laufzeit, die mich problemlos über den Tag bringt und im direkten Vergleich mit dem Nexus 5 schon fast luxuriös ausfällt. Extreme Nutzer könnten aber durchaus abends gegen 20 Uhr ein Stromkabel benötigen. Gerade wenn die vier megaschnellen 2,1-GHz-Kerne am Arbeiten sind, nimmt die Laufzeit recht schnell ab und im Bereich der Lautstärkewippe ist auf der Rückseite klar zu spüren, dass es darunter heiß ist. Da aber — im Unterschied zum LG G4 — das Schnelladegerät zum Standard-Lieferumfang des Galaxy S6 gehört, ist es in rund 15 Minuten wieder fit für ein paar weitere Stunden. Via Qi ist der Akku des SGS6 in etwas mehr als zwei Stunden wieder flott, das Schnelladegerät braucht rund 30 Minuten.

Nicht so toll
Der vielleicht größte Nachteil des Samsung Galaxy S6 ist sein hübsches Aussehen: Vorne Glas, hinten Glas, das kann nicht gut gehen. iPhone-4-Nutzer können hier aus Erfahrung sprechen, ich selbst besaß über Monate das Nexus 4, das auch meistens in einer Schutzhülle steckte. Das größte Problem dabei ist nicht das Glas an sich (wobei man bei Gorilla Glass 4 nicht mehr wirklich von Glas sprechen kann. Es fühlt sich eher wie ein Plexiglas an), sondern die andauernde Herumrutscherei. Auf jeder Fläche, die nicht zu 100 Prozent eben ist, verabschiedet sich das S6 früher oder später. Spätestens beim ersten Anruf oder einem Vibrationsalarm kannst du zuschauen, wie dein S6 vom Tisch rutscht. Du wirst es mit Sicherheit auch mehrmals aus einer Ritze in deinem Sofa hervorziehen müssen. Qi-Ladegeräte mit flacher Oberfläche sind komplett ungeeignet, um das Galaxy S6 zu laden. Es bleibt einfach nicht an Ort und Stelle, bis der Ladevorgang beendet wäre.
Klar kann man hier eifach sagen: Case drum und gut ist! Aber nicht jeder möchte sein Handy in einer zusätzlichen Schutzhülle mit sich herumtragen. Schon gar nicht bei einem so schönen Smartphone wie dem Galaxy S6. Ich finde es schon doof, dass alle iPhone-6-Geräte immer in einer Schutzhülle stecken. Hätten Apple und Samsung das Teil ja auch gleich aus Gummi machen können.
Der zweite Kritikpunkt gilt dem verbauten Lautsprecher. Dieser ist zwar in Sachen Klangqualität deutlich besser als frühere Samsung-Lautsprecher, aber a) immer noch Mono-Qualität und b) einfach zu leicht abdeckbar. Hältst du das Phone beim Spielen quer in der Hand oder liegt das Handy neben einem weichen Gegenstand in der Tasche, dann kann das das Volumen drastisch reduzieren. Durch die Bauform hat die Musik quasi gar keine andere Möglichkeit, also durch die zehn Löcher am unteren Rand aus dem Gehäuse zu schallen. Witzige Nebenwirkung: Mit dem SGS6 kannst du auch Musik hören, indem du das Ohr an die Rückseite des Smartphones drückt. Die Schallwellen übertragen sich auf die Rückseite.

Daran, dass bei Samsung der Zurück-Button auf der rechten Seite ist, habe ich mich in den drei Wochen Testzeitraum gewöhnt. Aber es ist mir an keinem Tag gelungen, das Handy so zu benutzen, dass ich nicht per Zufall länger als nötig auf die Multifenster-Sensortaste gedrückt hätte. Fünf bis sechs mal am Tag musste ich mir den Text „Der aktuelle Bildschirm unterstützt keine geteilte Bildschirmansicht“ ansehen.

Als Google-Fan finde ich es schon etwas krass, wie stark Samsung in der aktuellen Firmware sämtliche Google-Apps in den Hintergrund drängt. Die Apps sind zwar vorinstalliert (muss Samsung auch, um den Play Store zu bekommen), aber auf dem Desktop und im App-Drawer hat Samsung alle Apps außer dem Play Store, Chrome und Maps in den Google-Ordner geschoben. Dafür finde ich — für mich — nutzlose Apps wie HRS Hotels, kaufDA, Zalando, pizza.de und cewe Smartphoto. Immerhin: die Apps lassen sich problemlos deinstallieren!
Sehr seltsam fand ich zudem, dass im Vellamo-Benchmark Chrome deutlich schlechter abschnitt als der Samsung eigene Browser. Dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann, ist für mich klar, denn nicht Samsungs eigener Browser ist besonders schnell, sondern Chrome scheint gebremst zu sein. Ebenfalls Pech hatte ich mit dem Automodus: Als ich diesen während einer Autofahrt via Sprachsteuerung zur Navigation benutzen wollte, musste ich feststellen, dass Samsung hier zuerst HERE Maps von Nokia installieren will. Google Maps ist nicht erwünscht. Das Galaxy S6 setzt definitiv die Abspaltung Samsungs von Google fort und treibt diese auf die Spitze. Einen Vorteil als Nutzer sehe ich davon keinen, die Google-Alternativen bieten keinen wirklichen Mehrwert.

All diese Punkte sind aber in jedem Fall Jammern auf hohem Niveau.
Fazit
Auch nach drei Wochen intensiver Nutzung bleibt mein erster Eindruck bestehen: Das Samsung Galaxy S6 ist ein tolles Smartphone ohne kritisch Schwächen. Persönlich mag ich die Sensorbuttons nicht und das Handy ist mir zu rutschig. Stören dich diese zwei Faktoren nicht, dann kannst du mit dem Kauf eigentlich nichts falsch machen. Vielen Dank an 1&1 für die unkomplizierte und prompte Leihstellung des Testgeräts.
