Die Benutzeroberfläche von Tablets bietet einige Vorteile gegenüber der Oberfläche von Smartphones. Wäre es nicht schön einige Elemente aus der GUI von Tablets auch auf dem Smartphone benutzen zu können? Mit Paranoid Android ist das möglich.
Seit Android „Honeycomb“ 3.0 verfügt das Android-System über eine an Tablets angepasste Benutzeroberfläche. Seitdem passen auch immer mehr App-Entwickler ihre Programme an die größeren Displays der Android-Tablets an, so dass die Apps neben einer besseren Tablet-Optik auch mehr Bedienkomfort für Tablet-User mitbringen.
Manch einem Handy wie dem HTC One XL oder das Samsung Galaxy Note 2 mit Displays mit fast oder mehr als fünf Zoll würden diese Tablet-Apps durch aus gut zu Gesicht stehen, doch Android bietet Ihnen keine Wahl. Smartphones zeigen Apps im kleinen Smartphone-Look an, auf Tablets sehen Sie die App automatisch im Tablet-Layout.
Wäre es da nicht schön, diese Apps im Tablet-Stil auch auf dem Smartphone benutzen zu können? Das Paranoid-Android-ROM [1] ermöglicht genau das. In den Einstellungen des ROMs lässt sich gezielt festlegen, welche App im Tablet-Layout angezeigt und welche normal dargestellt werden soll. Somit kombinieren Sie die besten Elemente der Smartphone-UI mit denen der Tablet-Oberfläche.
Paranoid Android
Paranoid Android bietet nicht als einziges ROM dieses Feature an, es unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt von anderen Aftermarket-Firmwares. Paranoid Android erzwingt die Tablet-Darstellung nicht über Modifikationen an der build.prop des ROMs, sondern nutzt einen echten Hybrid-Modus für die wechselweise Darstellung beider Benutzeroberflächen auf dem laufenden System.
DPI
DPI steht für dots per inch. Dies ist gleichbedeutend mit Punkte pro Zoll. Die Einheit wird als Maß für die Detailgenauigkeit visueller Darstellungen benutzt. DPI geben unter anderem die Qualität der der Bildwiedergabe an. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden DPI hin und wieder fälschlicherweise mit der Auflösung gleichgesetzt.
Das Umschalten der Darstellung übernimmt bei Paranoid Android das „Hybrid Engine“ getaufte Framework. So legen Sie auf Wunsch für jede App, den Lockscreen oder auch für die Homescreens die Darstellungsweise fest. Paranoid Android arbeitet dabei unabhängig vom DPI-Wert des Systems, Neustarts mit speziellen DPI-Einstellungen sind daher nicht nötig.
Die Entwickler des Paranoid-Android-ROMs erfinden das Rad nicht komplett neu, sondern setzten mit bei Arbeit auf die beliebten Aftermarket-Firmware CyanogenMod [2]. Aktuell arbeitet man zweigleisig an der Entwicklung des ROMs. Der stabile Zweig baut auf CyanogenMod 9 und somit Android „Ice Cream Sandwich“ 4.0 auf, der experimentellere Entwicklungszweig gründet auf CyanogenMod 10 mit Android „Jelly Bean“ 4.1 als Basis.
Paranoid Android ist für eine Vielzahl von Geräten verfügbar. Derzeit gibt es über 30 Android-Handys und -Tablets, für die die Firmware offiziell aus dem Source Code kompiliert wurde. Für weitere 24 Geräte gibt es Portierungen des ROMs, die Ports beinhalten jedoch oft Fehler oder sind in der Funktionalität eingeschränkt, da es für diese Geräte keine offiziellen Updates auf Ice Cream Sandwich oder Jelly Bean gibt. Nähere Informationen bekommen Sie in den Threads zu den einzelnen Ports im XDA-Entwicklerforum. Eine vollständige Liste aller unterstützten Geräte finden Sie im Forum der XDA-Developers [3].
Download und Vorbereitung
Dieser Artikel setzt voraus, dass Sie ihr Smartphone bereits gerootet und mit einem Custom-Recovery, wie beispielsweise dem Clockwork-Mod-Recovery, versehen haben. Falls nicht, empfehlen wir Ihnen die Lektüre der jeweiligen Artikel in der PowerUser-Rubrik unserer früheren Ausgaben oder eine Suche nach Informationen zum Rooten Ihres Handys in den einschlägigen Foren zu Ihrem Gerät.
Wie von anderen Firmwares gewohnt, müssen Sie die zu ihrem Handy passende Version des ROMs herunterladen. Zu jedem Build gibt es bei den XDA-Developers [3] einen eigenen Beitrag, in dem sie die entsprechenden Downloads finden.
Weiterhin müssen Sie noch die Google Apps separat herunterladen [4], da diese nicht in Custom-ROMs integriert werden dürfen – was kleine ROM-Köche nicht unbedingt daran hindert das zu tun. Falls Sie diese nicht installieren, fehlen wichtige Bestandteile des Android-Systems wie zum Beispiel der Google Play Store, die Gmail-App oder der Kalender.
Nach dem Download des ROMs und der Google Apps sollten Sie unbedingt die MD5-Prüfsummen der heruntergeladenen Dateien kontrollieren, um sicher zu gehen, dass der Download auch wirklich fehlerfrei verlief. Andernfalls droht im schlimmsten Fall ein komplett ruiniertes – gebricktes – Handy. Unter Windows berechnen Sie die Prüfsumme zum Beispiel mit einem kostenlosen Tool von Microsoft [5] oder einer Freeware mit graphischer Oberfläche wie dem All-In-One Checksum Utility [6].
Alternativ lassen sich die meisten Versionen von Paranoid Android auch über den GooManager [7] heruntergeladen. Der GooManager greift dabei auf den – bei Android-ROM-Entwicklern sehr populären – Filehoster Goo.im zurück. Unter Browse Compatible ROMs finden Sie eine Liste der Entwickler, die ein mit Ihrem Gerät kompatibles ROM anbieten. Sie müssen also trotzdem kurz in die Auflistung aller Paranoid-Android-ROMs unter [3] spicken, um den Namen des jeweiligen Entwicklers zu finden. Mit dem GooManager lassen sich auch direkt die passenden Google Apps finden. Weiterhin bietet GooManager den Vorteil, dass Sie per Push-Benachrichtigung über Updates des Systems informieren werden.
Am Ende der Vorbereitungen sollte immer ein Backup Ihrer Daten stehen. Mit Titanium Backup [8] sichern Sie ihre Apps inklusive der Anwendungsdaten. Auf das Backup der Systemdaten und -Einstellungen sollten Sie jedoch aus Kompatibilitätsgründen verzichten. Einige ROM Entwickler raten zudem auch vom Sichern der Apps ab, sie lassen sich ja schnell über den Play Store wiederherstellen. Optional erstellen Sie über das Recovery-System ein komplettes Backup des vollständigen Systems an. Falls etwas schief geht, stellen Sie so in kürzester Zeit Ihr ursprüngliches System wieder her.
Installation des ROMs
Sie sollten sich nun im Recovery Modus befinden. Wählen Sie zunächst Wipe Data/Factory Reset aus und bestätigen Sie die Auswahl. Dieser Schritt löscht sämtliche Daten des Systems auf dem internen Speicher des Handys. Backups, Bilder und sonstige Daten auf der SD-Speicherkarte bleiben davon natürlich unberührt.
Anschließend gehen Sie zum Installieren des neue ROMs über. Wählen Sie dazu den Menüpunkt Install zip from sdcard. Flashen Sie erst das ROM und anschließend die Google Apps. Ist der Vorgang abgeschlossen, starten Sie das Handy neu. Der erste Boot-Vorgang nach dem Flashen dauert oft einen Tick länger als gewohnt. Abschließend richten Sie ihr Paranoid-Android-Handy wieder nach Ihren Wünschen ein und/oder spielen die mit Titanium Backup gesicherten Apps wieder ein.
Paranoid Android konfigurieren
Die ROM-spezifischen Einstellungen finden sie als zusätzlichen Eintrag in den Systemeinstellungen von Android unter Paranoid Settings. Über den Statusbar style legen Sie fest ob die Statusleiste wie am Handy gewohnt oben am Display klebt oder unten wie beim Tablet liegt.
Damit im Zusammenhang steht der vorletzte Menüpunkt SystemUI DPI. Diese Einstellung gibt den DPI-Wert an, mit dem die Statusleiste und Navigationsleiste angezeigt werden. Auf einem 4 Zoll großen Smartphone-Touchscreen macht etwa die Statusleiste der Tablet-UI und die Einstellung Default DPI eine gute Figur. Eventuell müssen Sie etwas an den Werten spielen, bis Sie mit der Darstellung zufrieden sind.
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ermöglicht die Hybrid Engine für jede App beliebig zwischen der Tablet-UI und der Smartphone-UI zu wählen. Am Beispiel der IMDb-App möchten wir die Möglichkeiten Paranoid Androids erläutern. Wählen Sie hier zunächst in den Paranoid Settings den Punkt List of Apps aus.
Scrollen Sie in der Liste zur IMDb App und wählen Sie diese aus. Im unteren Bereich, im Abschnitt Settings wählen Sie dann die Tablet UI und die Option Stock DPI (Tablet) aus. Um die Änderungen zu übernehmen wählen Sie Save beziehungsweise Apply aus. Ab und an dauert es ein paar Sekunden bis die Änderungen übernommen wurden. Danach öffnen Sie die App und prüfen Sie, ob Sie das Ergebnis zufrieden stellt.
Da Sie eine für ein großes Tablet-Display gedachte App auf ein Smartphone quetschen, kann es durchaus vorkommen, dass die Darstellung mit den Standard-DPI-Werte nicht optimal ist. In diesem Fall lässt sich in Paranoid Settings für diese App anderen DPI Wert frei festlegen. Eventuell müssen Sie mit verschiedenen Werten experimentieren. In der Regel klappt es mit den Einstellungen für die Tablet UI jedoch problemlos.
Vor zukünftigen Updates müssen Sie keine Angst haben, da Paranoid Android mit Paranoid Backup eine eigene Backup-App mitbringt. Mit ihr sichern Sie vor einem Update des ROMs die wichtigsten Einstellungen auf der Speicherkarte. Nach dem erfolgreichen Update der Firmware spielen Sie ihre Settings über die App wieder neu ein. Ein vollständiger Wipe vor einem Backup ist im Normalfall nicht nötig.
Bekannte Probleme
Natürlich ist auch Paranoid Android nicht von Bugs verschont. Da Paranoid Android auf der CyanogenMod basiert, enthält das ROM zwangsläufig auch alle Bugs, die der CyanogenMod-Grundlage. Weiterhin stürzen einige Apps ab, wenn die Default-DPI-Werte verändert werden. Die meisten dieser Forced Closes lassen sich beheben, indem Sie die Paranoid Settings öffnen und in der List of Apps bei den betroffenen Anwendungen Phone UI und Stock DPI (Phone) auswählen.
Fazit
Paranoid Android erweist sich als innovative und einzigartige Firmware, die sich in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit erfreut. Das liegt zum einen daran, dass sich mit Paranoid Android die immer weiter wachsenden Smartphone-Displays optimal ausgenutzt lassen. Zum Anderen aber auch daran, dass die Entwickler ihre Jelly-Bean-Firmware für zahlreiche älteren Androiden gebaut haben. So manch einem älteren Schätzchen verpassen Sie mit Hilfe von Paranoid Android das aktuelle Android 4.1.