Als Betreiber eines Android-Blogs und eines Android-Magazins muss man immer ein Nexus-Gerät zur Hand haben und immer die allerneueste Software drauf. Doch lohnt sich das Update für alle Nutzer, wenn Android 6.0 „Marshmallow“ Ende September offiziell vorgestellt wird? Oder ist mit ähnlichen Probleme zu rechnen, wie beim Update von Android 4.4 auf Android 5.0? Dieser Beitrag soll Klarheit verschaffen, beruht aber zu 100 Prozent auf subjektiven Erfahrungen.
Als Google Ende Mai 2015 die erste Preview-Version von Android „M“ vorstellte und zum Download freigab, war ich zunächst etwas enttäusch, konnte dann aber doch nicht mehr länger warten und holte mir das neue Android auf mein Nexus 5, das ich auch im täglichen Gebrauch einsetze, nicht nur als Testgerät. Ich benutze mein Nexus 5 nun seit drei Monaten mit Android 6.0 „Marshmallow. Das Nexus 9 blieb hingegen bei Android 5.x. Zeit, Bilanz zu ziehen.
Kaum Unterschiede
Für Otto Normalbenutzer sind auf den ersten Blick keine oder kaum Unterschiede zu Android 5.0 „Lollipop“ zu sehen. Ok, die Uhr auf dem Sperrbildschirm sieht etwas anders aus und im App-Drawer wird von oben nach unten gescrollt. Das war’s dann aber auch schon.

Das ist gut so, denn die meisten Menschen sind Gewohnheitstiere und freuen sich bei einem Update am meisten darüber, dass das Handy einfach so wie früher funktioniert. Lediglich eine Handvoll Geeks interessiert sich für die Feinheiten und Fakten — dem Gros ist das komplett egal. Aus dieser Hinsicht dürfte das Update von Android 5.x auf Android 6.x deutlich einfacher verlaufen, als von Android 4.4 auf 5.0. Hier führte Google das Material Design zum ersten Mal ein, was bei einigen Herstellern wie Samsung zu einem recht großen Bruch im Aussehen und in der Funktionalität führte und die Nutzer verärgerte. Dass iOS9 im Grunde genommen praktisch gleich aussieht wie iOS4 ist also ein großes Verdienst von Apple, kein Kritikpunkt. Android hat dafür seit 2.0 mächtig zugelegt und sein Design und Handling stets verbessert. Dass „Marshmallow“ nur marginal von „Lollipop“ abweicht, ist also gut und richtig, vom neuen App-Drawer mal abgesehen.

Dass es durchaus sehr viele Unterschiede gibt, zeigen unsere Videos auf YouTube zu den Neuerungen von Android 6.0 „Marshmallow“. Dabei handelt es sich aber in den meisten Fällen um Detailverbesserungen oder neue Features — wie das Rechtemanagement –, die der Durchschnittsanwender wohl nie im Leben benutzen wird.
Nie dagewesene Akkulaufzeit
Das Feature, über das ich mich persönlich am meisten freue, ist das neue Power-Management. Mein Nexus 5 erreicht damit nie dagewesene Akkulaufzeiten von über 14 Stunden bei 4 Stunden Screen-On-Time. Das sind Werte, an die ich früher weder mit Android 4.4 noch mit Android 5.x auch nur annähernd herangekommen bin. Zum ersten Mal in der Nexus-Geschichte entlädt sich bei mir ein Gerät nicht annähernd linear diagonal, sondern in der von — Lowcost-Geräten bekannten Z-Line: unter Last normal schnell, ohne Last praktisch kaum. So muss das sein und so hätte das eigentlich schon seit Jahren sein sollen. All die Batter-Optimizer-Apps und der ganze Mist können mit Android 6.0 endlich aus dem Play Store verschwinden — wenn Google und die Hersteller ihre Hausaufgaben richtig machen!

Dabei könnte die Laufzeit noch viel besser sein (und wird es hoffentlich auch mit der finalen Version), denn die Preview von Android 6.0 „Marshmallow“ hat noch mit einem fiesen Bug zu kämpfen: Das WLAN verbraucht viel zu viel Strom, selbst wenn es nicht in Benutzung ist. Ob diese Verbesserung auch bei Geräten mit MediaTek-Prozessor zum tragen kommt, die bereits mit aktuellen Android-Versionen deutlich besser mit dem Stromverbrauch haushalten, kann ich euch aktuell nicht sagen, aber ich vermute es stark! Qualcomm- und Exynos-Fans dürfen sich mit Android 6.0 aber sicher auf eine bessere Laufzeit freuen. Google hat uns das bei jeder Android-Version versprochen, es trifft aber jetzt zum ersten Mal wirklich zu.
Keine Angst vor Berechtigungen mehr
Der zweite große Vorteil von Android 6.0 „Marshmallow“ besteht in den neuen Berechtigungen. Die „Angst“, die viele Nutzer bei der Installation haben, was will die App bloß mit so vielen Berechtigungen anstellen, fällt unter Android 6.0 weitgehend weg. Denn hier müssen die Apps ihre Rechte dann einfordern, wenn sie sie benötigen. Und der Nutzer kann diese jederzeit widerrufen, ohne eine App löschen zu müssen. Für Entwickler ein Albtraum, für den Anwender klar die beste Lösung. Auch über diese Neuerung dürften sich 99 von 100 Android-Nutzern freuen.
Ich konnte während der vergangenen drei Monate dieses Feature noch nicht testen, weil Google erst vor Kurzem Apps mit dem entsprechenden API-Level in den Play Store gelassen hat, aber eine der ersten Maßnahmen, die ich unter Android 6.0 ergriff, war Facebook und WhatsApp die meiner Ansicht nach nicht benötigten Rechte zu entziehen. Mit dem Facebook Messenger gab es dabei keine Probleme, WhatsApp schmierte hingegen anschließend regelmäßig ab. Dank meiner Fehlerberichte zu den Abstürzen wird die App wohl schnell gefixt werden ;-)
Warten oder updaten?
Allen Nexus-5-Besitzern kann ich das Update auf Android 6.0 „Marshmallow“ wärmstens empfehlen. Wer es noch nicht installiert hat, wartet aber jetzt am besten gleich auf die finale Version. Es wird ziemlich sicher zuerst OTA-Dateien für Android 5.1.1 auf 6.0 geben. Wer selbst Hand anlegen will, kann natürlich auch bei Null anfangen. Ist für die Performance eh das Beste. Ich habe keine Rückschritte festgestellt, allerdings sollte man die Risiken und Nebenwirkungen eines OTA-Updates nie unterschätzen: Gut möglich, dass das Update eines Lollipop-Systems weniger flott läuft, als wenn du Android 6.0 direkt über die später verfügbaren Firmware-Dateien installierst.
Fest steht: Die Akkulaufzeit ist beim Nexus 5 deutlich besser. Einige Kollegen von mir bestätigen das auch für das Nexus 6 (hier fällt der Unterschied wohl nicht so dramatisch aus) und auch für das Nexus 9. Aber wie eingangs erwähnt: wer ein Nexus-Gerät besitzt, muss einfach die neueste Android-Version darauf haben. Alles andere ist lame.
Für den Rest der Android-Welt stellt sich die Frage dann wohl frühestens gegen Weihnachten 2015. Bei Android 6.0 fällt der Umstieg von Dalvik auf ART weg, der wohl bei einigen Herstellern für Kopfzerbrechen gesorgt hat, mit bösen Überraschungen wie bei der KitKatastrophe ist auch nicht zu rechnen. Also insgesamt sehe ich auch hier dem Update eher gelassen entgegen. Einzig das Permission Management könnte bei einigen Herstellern mit vielen vorinstallierten Apps zu Problemen führen. Generell also auch hier mein Tipp: hol dir das Update, wenn es der Hersteller anbietet. Für eine konkrete Empfehlung ist es allerdings noch viel zu früh.