Das Atrix von Motorola wäre an sich schon einen umfassenden Testbericht wert. Wir haben es solo und mit dem Lapdock getestet und sind begeistert aber auch ein wenig enttäuscht.
Plusminus
+ Hervorragende Akkulaufzeit
+ Gelungenes Android 2.3
+ Fingerprint-Reader
+ HDMI-Kabel im Lieferumfang
+ Preis
– Design
– Nur 720p
Das Atrix von Motorola gehört zu den wenigen Smartphones mit einem Tegra-2-Prozessor von nVidia. Während sich die Dual-Core-Power aber bei der Konkurrenz quasi nur zum Zocken nutzen lässt, hat Motorola dem System ein zweites System spendiert, das sich via Laptop-Dock alias Lapdock nutzen lässt. So verwandelt sich das Smartphone in eine kleines Netbook mit sieben bis acht Stunden Laufzeit und vielen nützlichen Zusatzfeatures.
Diesen Beitrag haben wir komplett auf dem Lapdock geschrieben und uns dabei auch an die Tastatur gewöhnt – mit einer Ausnahme: das Minuszeichen ist definitiv an der falschen Stelle.
Das Atrix
Motorola liefert das Atrix aktuell noch mit Android 2.2 aus (Stand Dezember 2011). Das Update auf Android 2.3.4 kommt aber bereits Over The Air (OTA). Falls Ihr Gerät noch mit Version 2.2. arbeitet, sollten Sie es auf die aktuelle Firmware aktualisieren. Alternativ zum OTA-Update können Sie diesen Vorgang auch mit der Motorola-Software durchführen, die es auf der Motorola-Homepage [1] zum Download gibt. Klicken Sie dazu im linken Menü auf den Eintrag Meine Software aktualisieren. In den Tests verlief das Update problemlos, nachdem Windows die nötigen Treiber installiert hatte.

Mit Android 2.3.4 bekommen Sie aktuell ein recht frisches System von Motorola spendiert, das Atrix wird mit ziemlicher Sicherheit auch ein Update auf Android 4.0 bekommen, ganz sicher ist das allerdings noch nicht. Selbst wenn es kein ICS bekommen sollte, können wir das Atrix empfehlen. Die von Motorola leicht angepasste Version 2.3.4 nimmt an vielen Stellen bereits Features von Android 4.0 vorweg: so lassen sich die Benachrichtigungen einzeln löschen und Anwendungen beliebig gruppieren. Details zur Android-Version von Motorola lesen Sie auch in unserem Testbericht zum Motorola Razr aus Android User 02/2012 [2].
Beim Atrix handelt es sich um ein Business -Handy. Das erkennen Sie nicht daran, dass das Design relativ unauffällig ist (einige würden sagen langweilig, oder klassisch), sondern in erster Linie am Fingerprint-Reader auf der Geräterückseite. Bei der ersten Nutzung werden Sie sich zunächst wundern, wie jemand auf die gestörte Idee kommen konnte, den Power-Button an einer so dämlichen Stelle anzubringen. Doch spätestens wenn Sie den Fingerabdruck-Leser eingerichtet haben, werden Sie es verstehen und dann geht auch die Benutzung sehr flott. Das Werkzeug bietet deutlich mehr Sicherheit als zum Beispiel die Gesichtserkennung vom Galaxy Nexus und ist zudem sehr einfach und schnell.

Akku und Performance
Seit dem Update auf Android 2.3.4 sind wir mit der Performance des Atrix sehr zufrieden. Das Smartphone reagiert stets prompt auf Eingaben und gerät auch bei intensivem Multitasking nicht ins Stocken. Einzig beim Vellamo-Benchmark, der die Performance im Web misst, fällt das Motorola-Handy mit 656 Punkten klar hinter die Tegra-2-Konkurrenz zurück. Das merkt man beim Browsen sehr großer Seiten auch, fällt aber nicht weiter negativ auf. Bei unserem zweiten Standard-Test – dem AnTuTu-Benchmark – gibt sich das Atrix keine Blöße und kommt hier wie die übrigen Tegra-2-Geräte auf rund 5000 Zähler (siehe Tabelle).
Positiv überrascht sind wir auch von der Akkuleistung des Atrix. Als wichtigste Voraussetzung für eine gute Akkuleistung empfehlen wir Ihnen, nach dem Update sämtliche noch vorhandenen Motorola-Widgets zu löschen und/oder über das Menü ein neues Profil anzulegen und hier nur die nötigen Widgets einzurichten. Mit diesem Setup, der Data-Saver-Einstellung und dem Nachtmodus von 23 Uhr bis 7 Uhr in der Früh verbrauchte unser Atrix über Nacht praktisch keine Batterie und zeigte uns beim ersten Einschalten dennoch sämtliche Meldungen an. Auch den 2G-Modus haben wir versuchsweise eingeschaltet, das bringt aber nur ein paar zusätzliche Minuten. Sehr sparsam geht das Atrix auch mit dem WLAN-Modul um. Benutzen Sie das Smartphone also zu Hause via WLAN, unterwegs über 3G und anschließend wieder per WLAN, dann sollten Sie damit gut über die Runden kommen und je nach Anzahl der Gespräche und Mails zwischen einem und drei Tagen schaffen.

Anders sieht es aus, sobald Sie das Atrix zum Spielen benutzen und die volle Power der Dual-Core-CPU von nVidia zum Einsatz kommt. Dann ist nach rund fünf bis sechs Stunden der Akku leer.
Das Lapdock
Eine große Besonderheit des Atrix ist das optional erhältliche Dock mit Display und Tastatur, das sogenannte Lapdock. Es verfügt über einen separaten Akku, aber keinerlei Rechenpower. Zur Benutzung sind Sie somit voll auf das Atrix angewiesen.
Die Tastatur ist etwas gewöhnungsbedürftig und das Display lässt sich für unseren Geschmack nicht genug weit nach hinten kippen. Zudem unterstützt das aktuelle Lapdock kein Scrollen auf dem Touchpad, was sehr ärgerlich ist. Immerhin lässt es sich einfach über einen Doppelklick auf die weiße LED des Touchpads ausschalten und dank der zwei USB-Anschlüsse können Sie auf eine Maus ausweichen.

Recht gewöhnungsbedürftig ist auch das Layout der Tastatur. So befindet sich zum Beispiel die Raute und die Minus-Taste über der Eingabetaste. Eigentlich ist auf dem Dock genügend Platz für ein richtiges Keyboard vorhanden, keine Ahnung, warum sich Motorola für diese Anordnung entschieden hat. Wir haben das Dock intensiv getestet und sind bis auf einzelne Mängel damit zufrieden.
Lapdock 500
Mit dem Lapdock 500 hat Motorola bereits ein Nachfolgemodell auf Lager, das praktisch sämtliche Kritikpunkte behebt. Es bringt neben einem 14-Zoll-Display eine Webcam und einen Ethernet-Port mit, verfügt über ein kleineres Touchpad dafür mit Scroll-Funktion und einen VGA-Ausgang sowie einen SD-Kartenleser. Zum Preis gibt es noch keine Angaben.
Positiv hervorheben muss man das Display des Lapdocks, das mit 1366×768 Pixeln nicht nur sehr hoch auflöst, sondern auch unheimlich scharf und hell ist. Die höchste Helligkeitstufe benötigt man beim normalen Arbeiten im Innern eigentlich nie. Sehr gut gefallen hat uns auch die Möglichkeit, Texte per Copy & Paste vom Smartphone in den Browser zu übernehmen. A propos Auflösung: es empfiehlt sich, die Standardschrift in Firefox ein paar Punkte größer einzustellen, weil die Fonts sonst arg klein ausfallen.
Mit dem Update auf Android 2.3.4 hat Motorola auch dem Webtop eine neue Software spendiert (1.2.0-133_38). Die Firefox wurde auf Version 6.0 aktualisiert und einige kleine Fehler behoben. Das Webtop OS basiert weiterhin auf dem ARM-Port von Ubuntu.
Besser als ein Chromebook?
Das Lapdock bringt im direkten Vergleich mit einem Netbook, dem Google Chromebook oder dem Asus Transformer ein paar Vor- und Nachteile mit. Der größte Nachteil ist die Online-Abhängigkeit. Wer zum Beispiel als Blogger einen Artikel offline schreiben möchte, ist auf Android-Apps angewiesen, da das Linux-System auf dem Lapdock im Wesentlichen nur einen Browser zur Verfügung stellt. Dank diverser Office-Suiten funktioniert das aber recht gut.
Auch der Dateimanager ist in seinen Fähigkeiten arg beschnitten, so lassen sich zwar Dateien von einem externen USB-Datenträger auf das Telefon kopieren (wobei das nicht immer wie gewünscht geklappt hat) aber keinerlei Dateien auf dem Linux-Dateisystem betrachten. Das Lapdock verfügt zudem über keinen HDMI-Ausgang. Dieser ist dem Smartphone vorbehalten. Sie müssen sich also entscheiden, ob Sie das Smartphone an den Fernseher anschließen oder ans Lapdock. Gegenüber einem Netbook oder kleinen Notebook müssen Sie beim Lapdock also auf viele Funktionen verzichten, zusätzliche Software lässt sich zwar nach dem Rooten des Atrix und des Docks installieren, wirklich glücklich werden Sie damit aber nicht werden, da das System mit 1 GByte RAM auskommen muss und das Linux-System inklusive Firefox einen großen Teil davon in Anspruch nehmen. So bleiben knapp 100 MByte RAM fürs Arbeiten.
Da das Dock über keine Webcam verfügt, können Sie es nicht für Videotelefonie etc nutzen. Hier müssen Sie das Atrix aus dem Dock nehmen und zum Smartphone wechseln. Diese Nachteile sind uns während der Nutzung aufgefallen und sollten vor einem Kauf beachtet werden.
Im Vergleich zum Transformer hat das Lapdock den Vorteil, dass man damit auch Telefonieren kann bzw. Gespräche annehmen. Zudem bieten Display und Tastatur deutlich mehr Platz. Der zusätzliche Akku im Dock sorgt für eine recht gute Akku-Laufzeit von bis zu acht Stunden. Er lässt sich im Notfall auch einfach dazu benutzen, das Smartphone aufzuladen. So haben Sie den Ersatzakku also quasi stets dabei.
Den vielleicht größten Vorteil der Motorola-Lösung sehen wir in der engen Verknüpfung von Smartphone und Notebook. Benötigt man zum Beispiel die Telefonnummer eines Kontakts, um sie jemandem per E-Mail zu senden, dann muss man dazu nicht das Smartphone in die Hand nehmen, sondern wechselt einfach zum Fenster mit dem dem Phone-Emulator und sucht sich dort den Kontakt aus, kopiert die Nummer und fügt die anschließend im Browser wieder ein. Erwähnenswert ist an dieser Stelle auch die Wiederherstellungsfunktion des Webtop-Systems. Arbeitet man zum Beispiel an einem Office-Dokument in Google Docs und nimmt das Atrix ab, um damit spazieren zu gehen und einen Anruf zu tätigen, dann ist das Dokument beim nächsten Anschließen im Browser wieder geöffnet und man kann einfach weiterschreiben. Zudem hat man den vollen Komfort der Benachrichtigungsfunktionen von Android auch auf dem Desktop – Sie verpassen garantiert keine Mail und kein Posting bei Google+ oder Facebook. Last but not least arbeitet das Lapdock absolut lautlos, da es komplett lüfterlos ist.
Fotos lassen sich auf dem Lapdock sehr schön betrachten, da man sie wahlweise in der Android-Galerie oder via Dock-Anwendung anschauen kann. Auch zum Filme anschauen ist das Lapdock sehr praktisch. Das Dock besitzt zudem auch eine Multimedia-Center-Funktion, und Sie können via USB auch USB-Sticks oder ganze USB-Festplatten anschließen. Dabei unterstützt das Webtop-System zwar NTFS und das Apple-Dateisystem HFS+, aber kein Ext3. Im Test mit einer externen 2,5-Zoll-Platte traten keine Probleme auf.
Das MediaCenter greift zwar nicht direkt auf die externe Festplatten zu, man kann aber Filme auch einfach mit der gewünschten Android-App abspielen und auf Vollbildmodus schalten. Das klappt ganz gut. Der interne Akku hielt in unserem Dauertest rund sieben Stunden durch (WLAN und 3G). Ist der Akku leer, schaltet sich das Dock aus und zurück bleibt in jedem Fall ein voll geladenes Atrix-Smartphone.
Was kostet der Spaß?
Das Dock ist aktuell neu für rund 230 Euro zu erhalten, das Atrix selbst geht ab 290 Euro über die Theke, die Preise sind wieder etwas am steigen. Zusammen müssen Sie also immer noch über 500 Euro hinblättern. Günstiger bekommen Sie das Dock bei E-eBay. Beachten Sie hier vor dem Kauf allerdings, dass Sie ein Gerät mit deutscher Tastatur bekommen, wenn Sie sich daran gewöhnt sind.
Fazit
Mit dem Update auf Android 2.3.4 ist aus dem ehemals recht biederen Atrix ein klasse Smartphone geworden, bei dem jetzt neben der Performance auch die Optik und die Akku-Laufzeit stimmen. Der aktuelle Internetpreis von 300 Euro ist absolut in Ordnung. Die Achillesferse der Kombination Atrix und Lapdock ist aktuell der Hauptspeicher des Atrix. Das eine Gigabyte reicht nicht für das Smartphone und das Linux-System aus, spätestens bei zehn geöffneten Tabs wird das Browsen zur Qual. Als komfortable Docking-Station für das Büro eignet sich das Dock aber hervorragend – wenn Sie sich den Luxus leisten können, sind Sie also mit Smartphone + Dock gut ausgestattet.
Motorola Atrix
Kerndaten | |
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Hersteller | Motorola |
Formfaktor | 4-Zoll-Smartphone |
Auflösung | 540×960 Pixel |
Prozessor | 1 GHz, Dual-Core (Tegra 2) |
Android-Version | 2.3.4 |
Akku | 1880 mAh |
Laufzeit (Standby/Gespräch) | 350h/9h |
Gewicht | 135 g |
Preis (Internet) | 280 Euro |
Technische Daten und Preisvergleich | |
https://www.android-user.de/lp/3578 | |
Performance | |
AnTuTu-Benchmark | 5019 Punkte |
Vellamo-Benchmark | 656 Punkte |
Android-User-Bewertung | 4,4 |
Infos
- Software-Update: http://www.motorola.com/Support/DE-DE/Consumer-Support/Mobile-Phones/ATRIX
- Razr-Testbericht: Marcel Hilzinger, Blickfang – Motorola Razr im Test, Android User 02/2012, S. 36 und https://www.android-user.de/Magazin/Archiv/2012/02/Im-Test-Motorola-Razr-XT910