Was ist neu in Android 4.0 und brauche ich es? Warum dauert das Update bei meinem Hersteller so lange? Antworten auf diese Fragen und weitere Informationen finden Sie in diesem Artikel zur neuen Android-Version.
Das neueste Android heißt „Ice Cream Sandwich“ und trägt die Versionsnummer 4.0. Im Unterschied zu den Updates von Version 2.1 auf 2.2 und 2.2 auf 2.3 haben sich bei Android 4.0 nicht nur einige Grundlagen geändert sondern auch die grafische Oberfläche. Diese sieht nun fast gleich aus, wie das für Tablets entwickelte Android 3.0 „Honeycomb“, doch unter der hübschen Oberfläche verbergen sich auch sehr viele Neuerungen [1].
Tipp
Sie möchten Ice Cream Sandwich so schnell wie möglich aber keine 500 Euro für das Galaxy Nexus ausgeben? Dann holen Sie sich das Nexus S quasi zum halben Preis. Es ist mit ziemlicher Sicherheit das erste Smartphone nach dem Galaxy Nexus, das Android 4.0 bekommt.
Wann bekomme ich Android 4.0
Diese Frage lässt sich zurzeit noch nicht genau beantworten, da die meisten Hersteller erst ab heute Zugriff auf den Quellcode haben und somit erst testen müssen, wie die neue Version auf Ihren Geräten funktioniert. Wir haben die möglichen Termine der am meisten verbreiteten Hersteller in einem separaten Artikel zusammengefasst [2].
Die Google-Entwickler haben sehr viel am Aussehen von Android 4.0 gefeilt. Das beginnt bei der neuen Schrift „Roboto“ und führt über die zentralen Farben Blau und Schwarz bis hin zur einheitlichen Steuerung via Geste. Neben Android selbst hat Google sein komplettes Erscheinungsbild mit Android 4.0 und an Android 4.0 angepasst. So erhalten Sie online und auf Ihrem Smartphone ein einheitliches und konsistentes Benutzererlebnis.
Mehr Gesten
Als Grundlage für den kompletten Relaunch dient die neue Schrift mit dem Namen Roboto und ein einheitliches Bedienkonzept, das so gut wie möglich dem Aussehen und der Bedienung eines Magazins gleichen soll. Die Wisch-Geste, die bislang nur bei einigen Anwendungen zum Einsatz kam, zieht sich nun wie ein rotes Band quer durch Android: Wie bei den Homescreens oder der App-Auswahl gelangen Sie nun in praktisch allen Standard-Anwendungen von Google per Wischgeste nach rechts oder links zu weiteren Inhalten. Auch einzelne Benachrichtigungen oder aktive Apps lassen sich auf diese Weise löschen.
Ebenfalls deutlich häufiger zum Einsatz kommt in Ice Cream Sandwich die Pinch-to-Zoom-Geste (zwei Finger spreizen). Während frühere Android-Versionen die Geste praktisch nur im Browser und im Bildbetrachter einsetzten, um den Text bzw. das Bild zu vergrößern, ändern Sie damit unter Android 4.0 auch die Ansicht im Kalender, im Mail-Programm und in einigen weiteren Apps.
Von Anfang an neu
Android 4.0 erkennen Sie auf den ersten Blick am neuen Lock-Screen und am neuen Live-Wallpaper. Der Lock-Screen stammt vom Design her von Honeycomb, Sie müssen das Schloss in der Mitte über den Ring ziehen, der beim Antippen des Schloss-Symbols erscheint. Doch während man bei Honeycomb damit nur sein Tablet entsperren kann, bietet der Lock-Screen unter Ice Cream Sandwich als zusätzliche Funktion den Kamera-Schnellstart an. Ziehen Sie das Symbol nach rechts, entsperren Sie das Gerät, wählen Sie hingegen die linke Seite, dann öffnet sich die Kamera-App.

Betätigen Sie den Lock-Screen bei einem eingehenden Anruf, dann steht zudem ein drittes Symbol bereit, über das Sie dem Anrufenden eine Meldungen verschicken können. Der Betroffene weiß dann, warum Sie seinen Anruf nicht entgegengenommen haben.
Zu den weiteren Neuerungen des Lock-Screens gehört die Gesichtserkennungsfunktion. Damit müssen Sie nur einmal in die Frontkamera lächeln, und schon ist Ihr Ice-Cream-Sandwich-Gerät entsperrt. Dummerweise funktioniert das auch mit einem Foto von Ihnen, für größtmögliche Sicherheit sollten Sie also weiterhin einen PIN-Code oder ein Passwort setzen. Für Musikfans bietet der Sperrbildschirm zudem Zugriff auf die Notification Bar und damit auch auf den Musikplayer, sodass Sie das Gerät nicht entsperren müssen, um zum nächsten Track zu wechseln.
Der Startbildschirm
Nach dem Entsperren des Geräts landen Sie wie gewohnt auf dem Startbildschirm. Hier zeigt sich Android 4.0 wie seine Vorgänger, einzig die drei Tasten für Home, Zurück und die aktiven Apps sind auf dem Display neu. Sie erscheinen nur, wenn Ihr Smartphone über keine Hardwaretasten für diese Funktionen verfügt. Bei aktuellen Modellen mit Hardware-Buttons blendet Android diese Tasten aus, ähnlich wie bei Modellen mit Hardware-Tastatur auch keine Software-Tastatur erscheint.

Auf dem Startbildschirm (Abbildung 4) erkennen Sie eine weitere Neuerung von Android 4.0: Apps lassen sich nun zu Stacks bündeln, sodass der Home-Screen deutlich mehr Platz für Ihre Favoriten bietet. Die Anzahl der Homescreens bleibt weiterhin bei fünf Stück. Widgets lassen sich nun in der Größe anpassen, was bei einer Auflösung von 1280×720 Pixeln wie beim Galaxy Nexus ganz praktisch ist. Honeycomb-Nutzern ist auch dieses Feature schon länger bekannt.
Betätigen Sie das Apps-Symbol in der Mitte startet der sogenannte All-Apps-Launcher. Wie bei Honeycomb gibt es hier je einen Tab für die Widgets und die Apps. Aus dem Launcher heraus können Sie die Apps nicht nur wie bisher auf den Home-Screen verschieben oder neu anordnen sondern auch löschen oder deaktivieren. Vor allem letztere Funktion ist sehr nützlich, da sich damit vorinstallierte Anwendungen der Hersteller aus dem Apps-Menü entfernen lassen (sie sind dann zwar nicht gelöscht, aber immerhin deaktiviert). Auch Informationen zu eine App bekommt man aus dem Launcher heraus via Drag & Drop.

Die Apps
Google hat in den letzten Wochen und Monaten massiv in ein neues Layout und neue Funktionen für seine Online-Dienste GMail, Google Kalender, Google Reader und praktisch sämtliche Produkte investiert. Diese Änderungen sind teilweise aus den neuen Google-Anwendungen für Ice Cream Sandwich hervorgegangen. So bieten die Apps nun ein einheitliches Aussehen in einem hellen Grau und Blau. Komplett neu programmiert für ICS hat Google das Adressbuch. Zu einzelnen Kontakten gibt es in der People App neben einem großen Profilbild auch Informationen zu aktuellen Status Updates via Facebook, Google+ und Co. und zu anstehenden Veranstaltungen. Zudem sehen Sie bei jedem Kontakt, woher dieser Stammt (SIM-Karte, GMail-Adressbuch, Facebook etc.). Im „Me Profile“ hinterlegen Sie Informationen über sich selbst, um diese mit Ihren Freunden zu teilen.
Abbildung 6 zeigt eine weitere Neuerung von Ice Cream Sandwich: wo nötig blendet die Software die Such-Funktion und das Kontextmenü (drei senkrechte Punkte) als zusätzliche Leiste ein. In den meisten Google-Apps sind diese Funktionen oben rechts zu finden, bei einigen aber auch am unteren Bildschirmrand.
Auch den Kalender hat Google mächtig überarbeitet und mit Farbecodes ergänzt. Zum nächsten Monat (bzw. Tag oder Woche) wechselt man nun einfach per Wisch-Geste, Pinch-to-Zoom bringt Sie aus der Übersicht zu den Details.

Sehr viele Änderungen hat auch die Kamera-App bekommen. Der Auslöser funktioniert nun bei allen Modellen ohne Zeitverzögerung und es gibt zahlreiche Effekte für die Galerie. Bei der Vorführung in Hong-Kong zeigte Google zudem auch die Serienfunktion der Kamera mit rund 6 Bildern in zwei Sekunden. Versuchen Sie das ruhig mal bei Ihrem Android-Handy nachzumachen. Wer oft Videos dreht und auch fotografieren möchte, wird sich über die neue Standbildfunktion freuen. Damit lassen sich während der Videoaufnahme auch Fotos schießen. Und eine Zoom-Funktion haben die Android-Entwickler dem Videomodus ebenfalls spendiert. Ihrem ersten Blockbuster mit Android steht somit nichts mehr im Wege.
Der Browser gehört zu den wichtigsten Apps überhaupt. In Ice Cream Sandwich unterstützt er bis zu 16 Tabs und lehnt sich optisch an die Honeycomb-Version an. Da es bei einer Auflösung von 1280×720 Pixeln unter Umständen recht öde sein kann, auf die mobile Version einer Webseite weitergeleitet zu werden, gibt es nun einen Menüpunkt, über den man die Desktop-Variante anfordern kann. Der Ice-Cream-Sandwich-Browser synchronisiert zudem Lesezeichen automatisch mit Google Chrome, verfügt über einen Incognito-Modus und speichert auf Wunsch komplette Seiten offline. Neu im Browser ist auch eine Liste mit den am meisten besuchten Seiten.
Falls Sie zu den Personen gehören, die noch einen Anrufbeantworter benutzen, dann werden Sie sich über Visual Voice Mail – quasi die Anrufbeantworter-App – freuen. Damit lassen sich Gespräche auf der Mailbox verlangsamt oder beschleunigt wiedergeben und beliebig oft wiederholt abspielen. Zu den neuen Standard-Apps gehört zudem auch Google+.
Benutzerfreundlich
Ice Cream Sandwich ist übersichtlicher geworden und lässt sich an vielen Stellen deutlich einfacher bedienen. Das beginnt bei den Menüeinträgen und zieht sich über die neuen Systemeinstellungen bis zur Inline-Rechtschreibprüfung und der neuen Sprachsteuerung durch.
Während sich Apple-Nutzer über Siri als quasi einziges echtes neues Feature freuen müssen, bringt Ice Cream Sandwich quasi nebenbei auch eine deutlich verbesserte Spracherkennung. Die Sprachsteuerung müssen Sie in Android 4.0 nicht mehr explizit aktivieren sondern können zum Beispiel beim Schreiben einer SMS einfach drauflos plappern. Wie bei Google üblich funktioniert das in praktisch allen Sprachen. Ein Limit bei der Sprachsteuerung gibt es nicht, Sie können also einen kompletten Roman via Diktierfunktion aufschreiben lassen.
Die Rechtschreibprüfung verfügt neu über eine Sofort-Kontrolle und ein benutzerspezifisches Wörterbuch. Auch das Keyboard hat Google überarbeitet und ihm einen verbesserten Support für Copy & Paste sowie eine Drag’n’Drop-Funktion für markierte Wörter verpasst. Die meisten Hersteller setzen bei der Tastatur allerdings auf eigene Lösungen, sodass diese Änderungen vermutlich nicht bei allen ICS-Modellen zum Einsatz kommen.
Google hat sämtliche Menüs auf Stimmigkeit und Benutzerfreundlichkeit hin überprüft und optimiert. Ähnliche Einträge befinden sich nun bei allen Apps an der gleichen Stelle.
Mehr Sicherheit
Auch wenn sich das Entsperren des Geräts via Gesichtserkennung schnell als recht unsichere Lösung entpuppt hat (die Sperre lässt sich per Foto einfach aushebeln), bringt Android 4.0 ein wichtiges neues Sicherheitsfeature mit: So lässt sich nun das komplette Gerät via PIN-Code verschlüsseln, sodass die Daten auf dem Handy spätestens nach einem Reboot ohne Kenntnis des Passworts nicht mehr zu entschlüsseln sind.
Für den Einsatz im Firmenumfeld bietet Google mit Android 4.0 zudem eine neue Keychain-API an. Apps können diese nutzen, um Benutzerzertifikate und CAs sicher auf dem Gerät zu speichern.
Android wieder vereint
In Android 4.0 treffen die beiden bisherigen Versionen 2.x für Smartphones und 3.x für Tablets aufeinander. Android 4.0 sieht deshalb auf den ersten Blick wie die Tablet-Version „Honeycomb“ aus und lässt sich auch in vielen Bereichen gleich bedienen. Auch zahlreiche Apps und Features haben es vom Tablet auf das Smartphone geschafft. Dazu gehören der Entsperr-Bildschirm (der kein Apple-Patent verletzt), das Video-Schnittprogramm, die Verschlüsselungsfunktion für das komplette Gerät und viele mehr. Da Ice Cream Sandwich vom Look & Feel und von der Bedienung her Honeycomb sehr ähnlich ist, dürften die meisten Honeycomb-Tablets ein Update auf das aktuelle Android bekommen.
Viel neue Technik
Mit Android 4.0 führt Google eine neue Technik namens „Android Beam“ ein. Damit lassen sich via NFC-Chip Daten von einem ICS-Smartphone auf ein zweites Gerät übertragen. Google zeigte das Feature bei der Präsentation des Galaxy Nexus mit Webseiten, Google-Maps-Karten und Kontakten aus der People App, theoretisch lässt sich jedoch jedes beliebige Objekt übertragen, wenn der Entwickler die Beam-Funktion in seiner App nutzt. Ganz ohne Interaktion bzw. ohne Kontrolle des Nutzers läuft der Vorgang nicht ab, der Sender muss den Vorgang per Fingertipp bestätigen.
Mehr Kontrolle bekommen Sie als Android-Nutzer auch bei anderen Funktionen, allen voran bei der (mobilen) Datennutzung. Über die Einstellungen können Sie unter Android 4.0 ganz genau mitverfolgen, wie viele MByte Ihrer Datenflatrate Sie bereits verbraucht haben inklusive Schätzung für die nahe Zukunft. Die Einstellungen zeigen so relativ exakt an, wann Sie Ihr Datenlimit erreichen. Auch die Analyse der Datennutzung auf App-Ebene ist neu in Ice Cream Sandwich. So sehen Sie genau, welche App wie viele Daten über das mobile Funknetz geschaufelt hat. Dabei lässt sich die Analyse auf einen beliebigen Zeitraum beschränken.
Neben Android-Beam gibt es noch ein weiteres Feature, das zwei ICS-Geräte benötigt:Wi-Fi Direct. Damit baut Android zwischen zwei Smartphones oder anderen Geräten eine direkte WiFi-Verbindung auf, sodass eine Kommunikation über das schnelle 802.11n-WLAN auch dann möglich ist, wenn für die Verbindung zum Internet nur ein älterer 802.11g-Router zum Einsatz kommt. Diese Funktion ist in erster Linie für Spiele und Video-Streaming wichtig. Google rechnet zudem auch damit, dass TV- und Drucker-Hersteller die Technik implementieren.
Eine weitere wichtige Neuerung stellt das Bluetooth Health Device Profile (HDP) dar. Darüber spricht Android 4.0 Hardware wie Blutdruckmesser oder Fitness-Geräte drahtlos an. Auch das HFP-Profil für bessere Soundqualität über Bluetooth unterstützt Android 4.0 von Haus aus.
Für Entwickler
Android 4.0 basiert auf dem recht neuen Linux-Kernel 3.0.1. Die Software bringt auch für Entwickler zahlreiche Neuerungen mit, Angefangen vom neuen SDK (r14) über die vielen erweiterten APIs bis hin zum neuen Einstellungsdialog für Entwickler. So schalten Sie zum Beispiel die CPU-Auslastung eines Geräts als hübsches Overlay ein, um beim Testen einer neuen App Probleme schneller und einfacher aufzuspüren.
Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:
- Android 4.0 ist auf Multicore-Prozessoren vorbereitet und optimiert.
- 2D-Grafiken werden nun via Hardware beschleunigt. Diese neue Anforderung könnte bei einigen Geräten leider dafür sorgen, dass sie kein Update auf ICS bekommen.
- Die Verbindung zu einem PC/Mac erfolgt ausschließlich via MTP oder PTP (Fallback-Lösung). USB-Massenspeicher-Support ist nicht mehr vorgesehen.
- Deutlich umfangreichere APIs für Kontakte und den Kalender mit vielen Social-Network-Funktionen.
- Low-Level Multimedia-Streaming auf OpenGL-Basis (nur via NDK nutzbar).
- WebP und Matroska-Container-Support für Vorbis- und VP8-Dateien.
- Zahlreiche Effekte zur Bild- und Videobearbeitung, die sich in eigenen Apps nutzen lassen.
- Erweiterter Support für alternative Eingabegeräte (Stylus) inklusive Druck-Erkennung.
- VPN-Client API für eigene Apps, die hohen Sicherheitsanforderungen genügen müssen.
Als Einstieg bietet sich wie immer die Android-Entwicklerseite an. Hier finden Sie auch eine detaillierte Liste der Unterschiede der API-Versionen r13 und r14 [3] sowie einige Beispiele.
Fazit
Android 4.0 sieht nicht nur anders aus als Version 2.3, Google hat das System praktisch von Grund auf neu gestaltet und optisch sowie funktionell durchgestylt. Dabei hat man sich nicht nur bei den verbündeten Android-Herstellern bedient (Panorama-Funktion von Sony Ericsson, App-Start aus dem Lockscreen heraus von HTC, Favoriten-Ordner in den Apps via LG), sondern auch brav bei der Konkurrenz. So stammt zum Beispiel der App-Stack von iOS, die Wisch-Geste zum Beenden von aktiven Anwendungen von webOS und das Design der neuen People App erinnert doch sehr stark an die Metro-Oberfläche von Windows Phone. Die Implementierung dieser Features ist aber durchs Band gelungen, sodass wir uns mit Ice Cream Sandwich auf ein sehr gutes Android freuen dürfen, das hoffentlich schon bald möglichst vielen Smartphones und Tablets zu einem einheitlichen Aussehen verhilft.
Infos
- Übersicht über die neuen Features: http://developer.android.com/sdk/android-4.0-highlights.html
- Update-Übersicht: https://www.android-user.de/Artikel/Grosse-Android-4.0-Update-Uebersicht
- Unterschiede für Entwickler: http://developer.android.com/sdk/api_diff/14/changes.html