Deutlich schneller als erwartet ist die Jury im Prozess zwischen Apple und Samsung zu einem Urteil gekommen. Das neunköpfige Gremium hat in praktisch allen Punkten für Apple entschieden und den Schadenersatz auf über eine Milliarde US Dollar angesetzt.
Mit insgesamt 25 Smartphones soll Samsung diverse Patente von Apple verletzt haben, so die Jury. Dazu gehören unserer Meinung nach längst widerlegte Patente wie Pinch-to-Zoom oder der Gummiband-Effekt wenn man beim Scrollen das Ende einer Liste erreicht hat. Da diese Patente in den USA aber gültig sind, blieb der Jury wohl nicht viel anderes übrig, als Samsung für schuldig zu befinden. Im Gegenzug befand die Jury hingegen, Apple habe keine Samsung-Patente verletzt und Apple müsse keinerlei Zahlungen an Samsung leisten, da diese Zahlungen von Apple bereits an Intel geleistet wurden. Zudem kam die Jury in praktisch allen Fällen zum Schluss, dass Samsung die Apple-Patente absichtlich verletzt habe. Daraus leitet sich auch die recht hohe Schadenersatz-Summe, die zwar unter den von Apple geforderten 2,5 Millarden bleibt, aber doch massiv ausfällt. Mit einem Freispruch kam Samsung hingegen bei den Tablets davon. Hier konnte die Jury keine Patentverletzungen feststellen.
Insgesamt fällt das Urteil also in kompletter Linie für Apple und gegen Samsung aus. Die Schadenersatz-Summe beträgt aktuell 1,05 Milliarden US-Dollar ($1,049,343,540), am Montag dürften hier aber noch ein paar kleine Korrekturen hinzukommen, so hat die Jury zum Beispiel beim ?Galaxy Tab 10.1 LTE eine Schadenersatzsumme von 200.000 US Dollar festgelegt, ohne dafür aber eine konkrete Patentverletzung zu nennen.
Noch ist zudem im Prozess das letzte Wort nicht gesprochen. Die Richterin wird mit der Jury am Montag alle Punkte noch einmal auf ihre Richtigkeit hingehend durchnehmen und Samsung kann noch in Berufung gehen, was die Koreaner ziemlich sicher tun werden.
Kommentar zum Urteil
Das Urteil fällt für Samsung ohne zweifel recht hart aus. Dabei darf man aber auch nicht vergessen, dass sich Samsung bei einigen Punkten auf sehr dünnem Eis bewegte und natürlich Produkte auf den Markt brachte, die denen von Apple möglichst gut Paroli bieten sollten. Das Fass zum Überlaufen brachte bei Apple vermutlich das Galaxy Tab. Hier gelang es Samsung innerhalb kürzester Zeit ein Tablet auf den Markt zu bringen, das in puncto Design dem iPad2 durchaus ebenbürtig war. Witzigerweise blieben die Tablets von Samsung aber beim Urteil außen vor. Hier kam Samsung quasi mit einem blauen Auge davon. Lediglich für die Smartphones stellte die Jury in praktisch allen Punkten Patentverletzungen fest.
Das Urteil zeigt zudem ebenfalls, dass eine Geschworenen-Jury für Tech-Prozesse nicht wirklich das geeignete Instrument ist, zumal die Verhandlung ja in Kalifornien stattfand, Apple also ein Heimspiel führte. Auch wenn nur eine Person in der Jury ein iPhone besitzen soll und zwei Personen über Android-Smartphones verfügen, dürfte dennoch bei den meisten Jury-Mitgliedern die Botschaft Apples "Samsung hat in drei Monaten Arbeit von Apple gestohlen, für die Apple drei Jahre investiert hat" sehr gut angekommen sein. An der Schuld Samsungs, scheint die Jury keinerlei Zweifel gehabt zu haben.
Zu guter letzt bleibt natürlich die Frage, wie sich das Urteil auf die übrigen Android-Hersteller auswirken wird. Den Gummiband-Effekt, der beim Scrolllen auftritt, wenn das Ende einer Liste erreicht wird, hat auch Android 4.1 "Jelly Bean" implementiert. Auch die App-Übersicht als Raster, wie sie Apple auf dem Home-Screen präsentiert, befand die Jury für schützenswert und verdonnerte Samsung zu Schadenersatz. Einige Apple-Patente, die im Prozess für gültig befunden wurden, werden aber von Android bis heute genutzt. Hier bleibt also zu befürchten, dass Apple mit der nun mit 1,05 Milliarden reichlich gefüllten Kriegskasse auch gegen andere Hersteller vor Gericht zieht. Andererseits ist es zumindest für Google ein Leichtes, diese Patente durch Software-Updates zu umgehen, sodass neue Geräte auf der sicheren Seite sind. Das gilt übrigens auch für Samsung: Das neue Flaggschiff Galaxy S III blieb beim Prozess außen vor.
Im Unterschied zum Urteil in Südkorea mutet auch das Strafgeld lächerlich an: Wurden in Korea lediglich Strafgelder im Fünstelligen Bereich verhängt, soll Samsung nun über eine Millarde Schadenersatz zahlen. Apple verdient an einem iPhone laut diversen Hochrechungen rund 350 Euro. Das jetzt verhängte Bußgeld deckt somit die Einnahmen von 3 Millionen iPhone-Verkäufen. Ein schönes Geschenk an Apple vom kalifornischen Gericht.
Samsung merkt deshalb in seinem Kommentar zum Urteil an, dass dies nicht (nur) ein schlechtes Urteil für Samsung, sondern ein schlechtes Urteil für die Verbraucher in den USA sei, da es zu weniger Auswahl, weniger Innovation und potentiell zu höheren Preisen führen werde:
Today’s verdict should not be viewed as a win for Apple, but as a loss for the American consumer. It will lead to fewer choices, less innovation, and potentially higher prices. It is unfortunate that patent law can be manipulated to give one company a monopoly over rectangles with rounded corners, or technology that is being improved every day by Samsung and other companies. Consumers have the right to choices, and they know what they are buying when they purchase Samsung products. This is not the final word in this case or in battles being waged in courts and tribunals around the world, some of which have already rejected many of Apple’s claims. Samsung will continue to innovate and offer choices for the consumer.
Doch wie bereits oben erwähnt, ist in der Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen. Samsung wird ziemlich sicher in Berufung gehen und auch wenn es beim aktuellen Verdikt bleibt, ist das zwar ein Etappensieg für Apple in den USA, Androids Höhenflug außerhalb der USA kann das Urteil aber nicht stoppen.
Quellen: allaboutsamsung.de, cnet.com, androidpolice.com, theverge.com