Wham! Bang! Woosh! Immer mehr Comic-Verlage bieten ihre Hefte in digitalen Formaten an. Auch Android-Tablets und -Smartphones laden zum Blättern und Schmökern ein.
Spiderman, The Avengers, Batman: Comic-Helden sind so populär wie selten zuvor. Trotzdem kämpft die Branche mit Problemen, denn die Begeisterung für die Leinwandumsetzungen spiegelt sich nur mäßig in den Heftverkäufen wider. Zwar konnten mit der Manga-Welle und den vornehmlich im Buchhandel vertriebenen, aufwändigen Graphic Novels zusätzliche Kundenkreise erschlossen worden, trotzdem werden weitere Absatzformen in einer sich ständig neu erfindenden Industrie mit offenen Armen empfangen. So verwundert es nicht, dass sich Comic-Anbieter ebenso wie Buchverlage derzeit verstärkt auf den digitalen Markt konzentrieren – und das mit teilweise richtungsweisender Konsequenz: 2011 entschied zum Beispiel DC Comics, digitale Ausgaben der eigenen Serien noch am selben Tag zu veröffentlichen wie die Printversionen, Hauptkonkurrent Marvel zog in diesem Jahr nach und liefert in jedem gedruckten Heft zusätzlich einen Code für den kostenlosen Download der entsprechenden Ausgabe. Zum prestigeträchtigen Showdown „Avengers vs. X-Men“ produzierte der Verlag gar eine Vorgeschichte, die ausschließlich als Download zu beziehen und teilweise interaktiv bedienbar war.
Do you speak English?
Die Android-Plattform ist bereits recht gut versorgt mit Download-Apps für die digitalen Bildergeschichten. Wer zum Beispiel ein wenig in Googles Play Store stöbert, findet passende Programme von DC und Marvel, aber auch von unabhängigen Anbietern wie Amazon und Barnes & Noble, deren riesiges Repertoire an digitalen Formaten auch Comics beherbergt. Freunde der japanischen Manga-Kultur werden ebenfalls mit eigenen Apps versorgt, und wer sich im Internet auf die Suche nach unabhängigen Anbietern und Nachwuchszeichnern macht, kann deren Werke mit einer umfassenden Auswahl an eComic-Darstellungsprogrammen genießen. Doch es gibt auch unrühmliche Ausnahmen: Der besonders in Deutschland sehr aktive italienische Panini-Verlag bietet seine Serien zwar bereits digital an, eine entsprechende App gibt es bisher aber leider nur für Apples iPhone und iPad – deutschsprachige Comics sind daher auf Androiden nur schwer zu finden und werden von keinem der hier vorgestellten Anbieter vertrieben. Auch Disney öffnet sein Micky-Maus-Imperium bisher nur iOS-Nutzern. Es gilt zu hoffen, dass die wachsende Popularität von Tablets mit Android-Betriebssystem zum Umdenken bei den Machern einlädt.
Preise
Die Kosten für digitale Comic-Hefte variieren: Der Standardpreis für zurückliegende Ausgaben von Topserien wie Spiderman, Superman oder X-Men beträgt 1,99 US-Dollar (derzeit knapp 1,50 Euro), die aktuelle Veröffentlichung ist in den verschiedenen Shops für 2,99 US-Dollar erhältlich. Wer absolut up-to-date sein und ein Heft am selben Tag kaufen will, an dem es in den USA am Kiosk erscheint, muss dafür 3,99 US-Dollar über den virtuellen Ladentisch schieben. Bedenkt man, dass bei der Printausgabe in Deutschland noch Mehrwertsteuer und oftmals Portokosten hinzukommen, handelt es sich um durchaus faire Angebote, zumal die Online-Shops viele ältere Serien im 99-Cent-Angebot bereithalten. Wer regelmäßig Comics kauft, sollte auch über ein Online-Abo bei den Verlagen nachdenken.
Comics
ComiXology ist das weltweit größte Online-Portal für Comics und beherbergt in seiner Sammlung nicht weniger als 25.000 digitale Hefte und Grafiknovellen. Insgesamt konnte das amerikanische Unternehmen schon über 75 Millionen Downloads verzeichnen, was die New York Times veranlasste, ComiXology kurzerhand als das „iTunes für Comics“ zu bezeichnen [1]. Jede Woche wird das Angebot um knapp 300 Titel der zehn wichtigsten Verlagshäuser ergänzt. So finden sich nicht nur die Verkaufszahlen generierenden Superhelden-Storys, sondern auch alte Bekannte wie Garfield und die Simpsons.
ComiXology nennt seine App schlicht Comics [2], und die bildet das komplette Angebot der 2007 eingeführten Webseite comixology.com ab. Die Umsetzung weiß schon auf den ersten Blick zu überzeugen – wer regelmäßig zum Beispiel im Google Play Store stöbert, wird sich schnell zurechtfinden: Das Programm unterscheidet zwischen den Bereichen „Featured“ für aktuelle Angebote des Shops und Tipps aus der Online-Redaktion, „Just Added“ für Neuerscheinungen sowie „Popular“ für die Verkaufscharts. Doch die Übersicht kann weiter individualisiert werden: Mithilfe eines Aufklappmenüs wird die Startseite nach Verlagen, Serien, Genren und Autoren gefiltert, und der Button „My Comics“ lässt zur Übersicht der eigenen Downloads verzweigen, sofern bereits Käufe getätigt wurden. Scrollt man zudem die Startseite ganz herunter, finden sich weitere Quicklinks zu den Heften mit der höchsten Käuferbewertung sowie zu einer Übersicht der unterschiedlichen Handlungsstränge innerhalb einer Serie, die besonders für Neueinsteiger oftmals nicht ganz einfach zu verfolgen sind. Leider werden die Erzähllinien nicht serienübergreifend protokolliert, was für Sammler ein zusätzlicher Service wäre.



Wer die Qualität der digitalen Formate zunächst einmal testen möchte, wird sich über das Angebot kostenloser Comics freuen, das mit einigen tausend Exemplaren erfreulich groß ist – auch wenn es sich oftmals nur um Teaser für kommende Serien oder aktuelle Ausgaben handelt. Den Verweis dorthin hat ComiXology allerdings ebenfalls ganz am Ende seiner Startseite untergebracht, im Webshop wird offensiver damit umgegangen. Etwas schade ist auch, dass die Suchfunktion der App nur im gesamten Angebot wühlt – es kann also zum Beispiel nicht gezielt nach kostenlosen Titeln einer bestimmten Serie gesucht werden, auch Syntax-Kombinationen wie „Superman +free“ funktionieren nicht.
Der Katalog von ComiXology reicht weit zurück und ist chronologisch aufgebaut. Oftmals ist die Gliederung jedoch etwas grob: Eine Einteilung wie „Superman (1939-2011)“ ist nun doch etwas weitläufig, auch wenn sich dahinter im Endeffekt nur 68 Highlights aus den angegebenen Jahrzehnten verbergen. Der Kauf einer Einzelausgabe erfolgt in nur zwei Schritten, wobei die Bezahlung komfortabel mittels der im Play Store hinterlegten Kreditkartendaten erfolgt. Das Anlegen eines eigenen ComiXology-Kontos hat jedoch einen echten Mehrwert, denn es aktiviert die Synchronisation des Webstores mit der Mobil-App: Ausgaben, die online gekauft werden, liegen also auch automatisch zum Download auf dem Smartphone oder Tablet bereit. Etwas verwirrend ist dabei, dass sie hier zunächst nicht unter „My Comics“, sondern im Aufklappmenü „Purchases“ auftauchen. Im Webshop wird diese überflüssige Unterteilung nicht gemacht.
Die Darstellungsqualität der digitalen Ausgaben ist mit dem integrierten Reader erfreulich hoch – besonders Tablet-Nutzer, deren Geräte eine Horizontale von mindestens 10 Zoll haben, werden ihre wahre Freude haben, da auch Zeichnungen, die auf einer Doppelseite angelegt sind, im Quermodus ausreichend Platz finden. Benutzer kleinerer Bildschirme können Details mit zwei Fingern heranzoomen, was auf 7-Zoll-Tablets und „Zwitter-Produkten“ wie dem Galaxy Note ein gut erträglicher Kompromiss ist. Auf allzu kleinen Smartphone-Screens ist das virtuelle Blättern aber schlichtweg keine Freude, das Lesen der Papierversion macht dann auch unterwegs deutlich mehr Spaß.
DC Comics
Die Arbeit von ComiXology hat in der Branche anscheinend für Aufsehen gesorgt, denn auch die Android-App von DC Comics [3], Heimat klassischer Helden wie Superman, Batman und Wonder Woman, setzt auf das Fundament von Comics auf – warum das Rad schließlich immer wieder neu erfinden und Nutzer mit ständig wechselnden Bedienungen verwirren? Trotzdem sieht man der App des traditionsreichen amerikanischen Verlags die Verwandtschaft auf den ersten Blick nicht an: Die Macher haben das Programm optisch so umgestrickt und auf das Angebot von DC hin optimiert, dass es durchaus als eigenständig durchgeht.
In erster Linie wurde die Optik des Originals dabei gelungen ausgedünnt: Der Nutzer navigiert so noch schneller im Katalog und wechselt zwischen der Verwaltung der gekauften Ausgaben und dem aktuellen Kaufangebot hin und her. Auch mit dem kostenlosen Angebot wird weitaus plakativer umgegangen, der entsprechende Verweis findet sich gleich in der Hauptnavigationsleiste. Die freie Sammlung ist dabei durchaus interessant und führt vor allem Neueinsteiger durch Hintergrundausgaben in die einzelnen Serien ein.



Im Shop selbst wird gezielt nach Serien, Genres und Autoren gesucht, wobei die Konzentration auf nur einen Verlag das Stöbern weitaus übersichtlicher gestaltet. Schade ist jedoch, dass die App tatsächlich nur das Angebot des Mutterunternehmens im Programm hat, die bekannt kontroversen Ausgaben des zur DC-Gruppe gehörenden Vertigo-Imprints sowie der anarchische Humor der auch in Deutschland beliebten MAD-Tochter bleiben bisher außen vor.
Die Nutzung der ComiXology-Ressourcen birgt indes weitere Vorteile. So erscheinen mit Comics gekaufte Hefte auch in der DC-App (und umgekehrt), und auch beim Bezahlsystem wird auf das gemeinsame Google-Play-Konto zurückgegriffen. Darüber hinaus nutzt DC die gleichen guten Darstellungsroutinen inklusive Horizontalmodus und Detailvergrößerung – ein Umlernen bleibt somit aus. Manchmal ergeben Synergien eben sehr viel Sinn.
Amazon
Der Kindle Store des Online-Versandhauses Amazon beherbergt ebenfalls einige Sammelband-Ausgaben der großen englischsprachigen Comic-Serien. Die Preise sind durchaus attraktiv, allerdings eignet sich die Android-Version des Kindle Reader eben besser für E-Books als für Comics: So wird das Horizontalformat nicht unterstützt, und auch das gewohnte Heranzoomen mit zwei Fingern sucht der Leser vergeblich. Zusammenhängende Doppelseiten bleiben somit auch auf größeren Tablets letztlich unleserlich. Fans sollten daher eher zu einer App der entsprechenden Verlage oder dem ComiXology-Store greifen.
Marvel Comics
Aller guten Dinge sind drei: Auch die mittlerweile zu Disney gehörende Marvel-Entertainment-Gruppe setzt mit seiner App Marvel Comics [4] auf eine auf das eigene Angebot optimierte Version des ComiXology-Stores auf. Und wieder hat man beim Umstricken ganze Arbeit geleistet: Zwar ist der Grundaufbau durchaus ähnlich wie beim Original und bei DC, die Marvel-App wurde jedoch in ihrer Ästhetik an den Webshop des New Yorker Comic-Multis angepasst. Und so lassen auch die Macher von so erfolgreichen Serien wie Spiderman, X-Men und The Avengers die schnelle Navigation zwischen aktuellen Angeboten, Neuerscheinungen und den angesagten Titeln zu. Die Auflistung ist sogar noch etwas übersichtlicher gelungen als beim Hauptkonkurrenten DC. Das freie Angebot ist jedoch merklich dünner gesät, dafür überwiegen hier vollständige Ausgaben gegenüber reinen Teasern. Sehr hilfreich ist die „Getting Started“-Sektion, die den Neueinstieg in die verschiedenen Serien einfacher gestaltet.


Etwas ärgerlich ist hingegen, dass Marvel sein recht attraktives Online-Aboangebot bisher exklusiv für Kunden seines Webshops bereithält, Nutzer der mobilen Apps für Android und iOS müssen jedes Heft einzeln kaufen. Immerhin synchronisiert sich auch die Marvel-App mit dem Web-Angebot des Verlags und dem ComiXology-Store – gekaufte Ausgaben sind somit auf allen verbundenen Geräten lesbar. Etwas verwirrend ist jedoch auch hier die Unterteilung in die Rubriken „My Comics“ und „Downloads“, die der Einfachheit halber zusammengelegt werden sollten, zumal sich erster Punkt in der Marvel-App in einem Aufklappmenü versteckt und somit vielen Anwendern nicht gleich auffällt, wie ein Blick in die Nutzerkommentare im Play Store offenbart.
Suchfunktionen und Comic-Viewer teilt sich das Programm mit den zwei schon besprochenen Apps. Leider wurde auch eine etwas störende Abweichung von den normalen Benutzergewohnheiten importiert: Der Back-Button am Smartphone und Tablet beendet fast immer die App, statt in die übergeordnete Kategorie zu wechseln. Hier sollte in allen Umsetzungen nachgearbeitet werden.
Dark Horse Comics
In Deutschland weniger bekannt ist der US-amerikanische Comicverlag Dark Horse, der aber immerhin die Rechte an so bekannten Film- und TV-Umsetzungen wie Star Wars und Buffy besitzt und umgekehrt mit seinen eigenen Serien die Inspiration zu Blockbustern wie Alien vs. Predator, Hellboy, Sin City und The Mask lieferte. Im vergangenen Jahr stieg das Unternehmen in den lukrativen Markt der digitalen Comics ein und verfügt über einen eigenen Webstore sowie Apps für iOS und Android. Letztere befindet sich nach Herstellerangaben jedoch noch im Betastadium und kann daher noch nicht mit der Umsetzung für iPhone und iPad konkurrieren, die vom Funktionsumfang her bereits mit den mobilen Angeboten von Marvel und DC vergleichbar ist. Die Android-App beschränkt sich hingegen derzeit noch auf die primäre Aufgabe eines Darstellungsprogramms für die im Webshop von Dark Horse getätigten Einkäufe. Die plakativen Banner für die einzelnen Serien rufen für den Einkauf bisher einfach den Webbrowser auf, aber vielleicht hat der Shop bis zum Erscheinen dieser Ausgabe ja bereits Einzug gehalten.


Als reiner Reader leistet die Dark-Horse-App jedoch schon gute Dienste. Schön ist zum Beispiel, dass vor dem Aufruf des eigentlichen Hefts neben einer kleinen Inhaltsangabe auch noch die beteiligten Künstler genannt werden – Kenner wissen diese Angaben zu schätzen. Die Darstellungsroutinen unterstützen die Horizontalansicht, was das Lesen auf Tablets zur Freude macht, ein spezieller Panel-Modus erlaubt gar das Springen von Bild zu Bild, was besonders Benutzer von kleinen Displays am Smartphone danken werden. Die eigene Bibliothek wirkt hingegen besonders auf größeren Bildschirmen bei Weitem nicht so elegant wie die der Konkurrenz, die Suchfunktion durchwühlt nicht den Online-Shop, sondern lediglich die eigene Kollektion. Es muss eben noch viel nachgearbeitet werden?
Fazit
Nicht umsonst greifen sowohl DC als auch Marvel auf das Fundament von ComiXology zurück: Die App ist komfortabel und optisch ansprechend aufgebaut, der Reader macht auf Tablets wie Smartphones eine sichere und attraktive Figur. Trotzdem darf man sich auf die vollständige Umsetzung der Dark-Horse-App freuen, die besonders dann für frischen Wind sorgen kann, wenn sie sich nah an der Version für iOS-Geräte orientiert. Konsumenten deutscher Comic-Umsetzungen werden hingegen die Inkarnation von Paninis Angebot auf Androiden herbeisehnen.