3D-Modelle lassen sich nur an High-End-Rechnern mit komplizierter Software entwerfen? Das ist längst Vergangenheit. Inzwischen existieren sogar Lösungen für das Smartphone.
Realistisch wirkende 3D-Animationen sind längst Alltag unserer Medienwelt geworden. Nicht nur Profi-Grafiker, sondern auch Privatanwender versuchen sich im Modellieren von Gegenständen und Figuren. Die steigende Rechenkraft von Android-Geräten lässt auch PC-Muffel in diesem Bereich mitmischen – vorausgesetzt die richtige Software in Form einer App steht zur Verfügung.
Die dritte Dimension – wozu?
Wer schonmal am Desktop-Rechner ein Modellierungswerkzeug wie Blender oder 3ds Max benutzt hat kennt die Vorgehensweise: Bei einem Figurentwurf zeichnet der Nutzer nicht nur ein zweidimensionales Gebilde (X- und Y-Achse), sondern entwirft ein Drahtgittermodell, welches auch Tiefeninformationen (die Z-Achse) enthält. Eine klassische Vorgehensweise ist dabei, wenn der Designer aus mehreren geometrischen Grundfiguren das Zielgebilde zusammensetzt. Eine solche Figur kann nun beliebig in eine dreidimensionale Szene gesetzt, gedreht, beleuchtet oder mit einem Oberflächenmaterial bespannt werden. Doch wozu das Ganze? Welcher normale Nutzer benötigt 3D-Modelle?
Zum einen gibt es beispielsweise diejenigen, welche ihren eigenen Kurzanimationsfilm designen möchten. Wer jetzt denkt, er könne nebenbei in seiner Freizeit eine Hollywood-Produktion im Stile von Toy-Story animieren, ist natürlich zum Scheitern verurteilt. Doch kurze Animationen sind durchaus machbar und können mit der richtigen Beleuchtung realistisch aussehen. Ein anderer Trend und Anwendungszweck sind 3D-Druckerdienstleister wie Shapeways [1] oder Sculpteo [2]: Der Nutzer lädt hier das 3D-Modell von seinem selbst entworfenen Schmuckstück oder einem virtuell modellierten Tier hoch – und erhält genau dieses als realen Gegenstand wenige Tage später per Post. Die gängigen Anbieter lassen den Käufer dabei aus einer breiten Palette an Materialien wählen. Soll es Plastik sein? Genauso sind auch Keramik oder gar Silber möglich – je nach Anwendungszweck und Geldbeutel. Allerdings erfordert 3D-Software am PC eine gewisse Einarbeitungszeit. Kommt man mit der passenden Android-App eventuell schneller an sein Ziel?
TrueSculpt Virtual Sculpture
TrueSculpt [3] setzt das um, was von 3D-Desktop-Software als „Sculpting“ bekannt ist: Das Modellieren läuft dabei in etwa so ab, dass der Anwender eine virtuelle Masse so lange verformt, bis daraus das gewünschte Gebilde entsteht. Dies kann man sich ähnlich dem Kneten oder Modellieren in der Realität vorstellen. Je nach gewählten Werkzeug kommt die App auch einer virtuellen Bildhauerei nahe. Da das Sculpting handwerklichen Tätigkeiten sehr ähnelt, eignet es sich sehr gut für ein Smartphone-Programm und der damit einhergehenden fingerzentrierten Bedienung. Andere Modi von professioneller PC-3D-Software sind eher auf eine Computermaus angewiesen und wären deswegen vermutlich weniger für ein mobiles Gadget geeignet.
Anfangs erscheint eine unbearbeitete Kugel virtueller Knetmasse. Der Anwender kann diese mit den Android-typischen Gesten zoomen und zur gewünschten Stelle drehen. Die eigentliche Bearbeitung führt er mit unterschiedlichen Werkzeugen aus: Bei „Draw“ kann der Nutzer beispielsweise mit dem Finger auf der Figur entlangfahren, während die Fläche untendrunter gleichmäßig angehoben wird; „Inflate“ sorgt für ein ballonartiges Ansaugen von dieser, „Grab“ verschiebt nur einen einzelnen Kantenpunkt eines Polygons und zieht den Rest der Masse träge hinterher. Ein sehr simples Beispiel für eine Figur findet sich in Abbildung 2. Wer mehr Zeit und etwas Einarbeitungszeit investiert, kann wesentlich komplexere Figuren designen, denen später die kugelartige Herkunft nicht mehr anzusehen ist, wie etwa Pferdeköpfe, Wölfe oder Monster (Beispiele finden sich unter [4]). Hierbei helfen einschlägige Sculpting-Tutorials im Internet. Unter dem Strich bietet die kostenlose App einen interessanten Modellierungsansatz, jedoch sollte man auch hier etwas Einarbeitungszeit mitbringen – welche jedoch immer noch geringer als bei einer komplexen PC-Software ausfällt.
3D Scanner
Kennen Sie den Replikator aus der Science-Fiction-Serie Star Trek? Dieser erlaubt es, ein reelles Objekt in seiner genauen atomaren Struktur zu kopieren. Im Gegensatz zu der Fernsehserie ist dies jedoch nach heutigem Kenntnisstand praktisch nicht möglich – ansonsten wären Sie wahrscheinlich damit schon in Berührung gekommen. Wenn ein Bekannter von Ihnen ein interessantes neues Handy hätte, könnten Sie es sich sonst einfach mit dem Replikator aus Ihrem Wohnzimmer kopieren. Dafür bietet die heutige Realität jedoch eine andere Möglichkeit: Sie können mit einem 3D-Scanner die äußere Form eines Gegenstands scannen und als dreidimensionales Objekt speichern. Anschließend druckt auf Wunsch ein 3D-Druck-Dienstleister eine Kopie – wobei hierbei das Urheberrecht des Originalgegenstands zu berücksichtigen ist. Bei einem exakten Scan kann auf diese Weise theoretisch ein seltenes Ersatzteil im Modellbau repliziert werden, welches nicht mehr hergestellt wird. Oder jemand könnte eine Büste von sich selbst erstellen. Doch leider kosten brauchbare 3D-Scanner, welche das Objekt umrunden, derzeit noch vierstellige Summen.
Der Copy-Shop um die Ecke ist auch noch nicht mit dieser Technologie ausgerüstet. Deswegen versuchen einige Bastler, kostengünstigere Methoden und Selbstbau-Lösungen zu entwickeln, mit denen dies günstiger geht. Eine davon ist die App 3D-Scanner [5]: Der Nutzer fotografiert denselben Gegenstand zweimal mit seiner Smartphone-Kamera, wobei das zweite Foto um einige Zentimeter versetzt aufgenommen wird. Der Gedanke dahinter ist ganz logisch: Auch der Mensch kann Dreidimensionalität erfassen, indem zwei leicht voneinander versetzte Augen denselben Gegenstand sehen und das Gehirn aus diesen Daten die Tiefeninformation berechnet. Leider funktioniert dieses Prinzip bei der getesteten App nur leidlich: Mit viel Mühe kann das Programm bestenfalls Fragmente eines Objekts erfassen – was sich auch bei den Bewertungen im Play-Store niederschlägt: Viele enttäuschte Anwender vergeben nur einen Stern.

Fazit
Selbst mit dem Smartphone ist 3D-Modellierung möglich. Doch auch dort erfordern gute Ergebnisse Zeitaufwand: Die Idee der 3D-Scanner-App mit dem schnellen Abfotografieren aus zwei Perspektiven funktioniert schlichtweg nicht. Hier wäre allein schon aus theoretischen Überlegungen viel mehr Aufwand nötig (millimetergenaue Ausrichtung, perfekte Lichtverhältnisse, Einsatz eines Linienlasers zur leichteren Extraktion von Tiefeninformationen?). Der Ansatz von TrueSculpt Virtual Sculpture überzeugt vielmehr. Neulinge benötigen bei diesem zwar etwas Einarbeitungszeit – doch anschließend können sie durchaus ganz nette Figuren auf Ihrem Android-Gerät modellieren. Dabei ist die haptische Bedienweise eine interessante Alternative zum mausgesteuerten Sculpting an einem Desktop-PC.