Sie brauchen unter Android nicht zwingend Skype, um Video-Telefonate zu führen. Die bei Android vorinstallierte Talk-App lässt Sie nicht nur chatten, sondern auch Audio- und Video-Chats über die Datenleitung führen.
Man kann nicht gerade sagen, dass Google Video-Gespräche über das Internet erfunden hätte. Skype, Googles größter Widersacher in diesem Gebiet, hatte hatte schon Anfang 2006 eine Funktion zur Videotelefonie in seine Anwendung integriert. Und auch davor gab es bereits zahlreiche Versuche Video-Telefonate und -Konferenzen am PC zu etablieren, Microsoft hatte etwa sein NetMeeting schon in Windows 2000 und XP vorinstalliert, doch den großen Publikumserfolg konnte erst Skype verbuchen.
Google startete seinen Chat-Dienst Google Talk im August 2005, anfangs lief der Chat ausschließlich über die proprietäre Google-Talk-Anwendung [1] für Windows PCs, erst im Februar 2006 integrierte Google Talk auch in das Web-Frontend von Gmail. Später wurde es auch möglich Google Talk über alternative Jabber-Clients wie Miranda [3], Pidgin [4] oder Empathy [5] zu nutzen, da der Dienst auf dem offenen Protokoll XMPP [2] beruht. Dadurch stehen für Google Talk zahlreiche native Clients auf verschiedenen Betriebssystemen zur Verfügung, über die gechattet oder auch Voice- und auch Video-Chats geführt werden können.
Voice- und Video-Plugin für Gmail
Generell brauchen Sie kein Programm oder eine App, um über Google Video-Telefonate zu führen. Es reicht ein Browser, ein Account bei Gmail und das Voice- und Video Browser-Plugin [6]. Das Zusatzmodul gibt es in verschiedenen Varianten für Windows, MacOS X und Linux für alle gängigen Betriebssysteme.
Inzwischen hat Google die Video-Chats in Gmail über Google-Plus-Hangouts realisiert [7]. Über sie führen User von Googles sozialem Netzwerk schon länger Gruppenchats von bis zu zehn Personen Bild zu Bild. Daher benötigen Sie inzwischen für Telefonate aus Gmail heraus auch einen Account bei Google Plus, dieser ist allerdings unter Ihrer Gmail-Adresse schnell freigeschaltet.

Eine grüne Kamera neben einem Kontakt signalisiert Ihnen, dass Ihr Gesprächspartner über eine angeschlossene Webcam verfügt und das Browser-Plugin installiert hat. Nachdem Sie das Setup des Plugins auch auf Ihrem Desktop-PC oder Notebook durchgeführt haben, finden Sie in der Chat-Liste eine kleine Kamera als Symbol zum Start eines Video-Chats. Ihr Gesprächspartner muss jetzt nur noch Ihren Anruf entgegen nehmen.
Google Talk für Android
In Android ist die Funktion Video-Chats über Google Talk zu führen seit der Version 2.3.4 verfügbar, Androiden mit älteren Versionen müssen auf die Funktion verzichten. Für Tests der Video-Telefonie haben wie ein HTC Velocity mit 2.3.7, ein Motorola Defy mit CyanogenMod 7.2, ein Galaxy Nexus und ein Nexus-7-Tablet mit jeweils Android „Jelly Bean“ 4.1.1 genutzt. Ein Handy mit Frontkamera ist nicht zwingend nötig, allerdings machen Video-Chats erst richtig Sinn, wenn sich beide Parteien auch sehen können.
Auf sämtlichen genutzten Androiden ließen sich Video-Chats führen. Egal ob per WLAN oder UMTS/3G online, die Gespräche sind sowohl vom Bild, als auch vom Ton durchaus akzeptabel und auf der Höhe von Skype. Nur auf unserem älteren Motorola Defy mit CyanogenMod 7.2 erwies sich Google Talk während Video-Telefonaten als instabil.
Eingehende Video-Anrufe zeigt das Defy zwar an, doch nach Annehmen des Gesprächs blieb das Bild schwarz. Hier zeigt sich, dass die unabhängigen Entwickler der CyanogenMod-Firmware auch nur mit Wasser kochen. Eigentlich wären Video-Chats über GTalk mit dem Defy gar nicht möglich, da die Original-Firmware bei Android 2.2 stehen geblieben ist.

Auf Ihrem Androiden funktioniert der Video-Chat sehr ähnlich wie am Computer-Desktop mit GMail. In der Kontaktliste der Talk-App symbolisiert ein Mikrofon oder eine kleine Kamera neben dem Namen eines jedes Kontakts, ob Ihr Gesprächspartner über die nötige technische Ausstattung verfügt. Ein Klick auf das Symbol startet dann den Anruf, alternativ finden Sie die Anruf-Symbole auch in der Chat-Ansicht.

Talk nutzt bei Audio-Video-Chats in der Standard-Einstellung die Freisprechfunktion Ihres Handy, dadurch wird jeder Video-Chat zu einer öffentlichen Konversation. Durch einen Fingerzeig auf das Display rufen Sie während eines Gesprächs das Kontext-Menü auf, über dieses leiten Sie dann den Ton wie bei einem normalen Telefonat durch die Handy-Kopfhörer oder ein Bluetooth-Headset.
In diesem Menü finden Sie auch zahlreiche Bild-Effekte wie einem verzerrten großen Mund, die Sie Live auf Ihr Video-Bild montieren. Alternativ filtert Google Talk auch den Hintergrund aus Ihrem Bild heraus und ersetzt Ihn mit einem All- oder Strandszenze. Allerdings funktioniert dieser Effekt nur bei guter Beleuchtung und einem neutralen Hintergrund zufriedenstellend.
Über eine UMTS-Mobilfunkleitung sollten Sie sich allerdings kurz fassen. Unsere Messungen ergaben, dass pro Minute GTalk-Video-Chat etwa vier MByte Daten über die Leitung geschickt werden. Ein üblicher Datentarif mit 300 MByte Inklusivvolumen bis zur Drosselung auf GPRS-Geschwindigkeit, würde demnach schon nach 75 Minuten Video-Chat aufgebraucht sein.
Fazit
Video-Chats über GTalk haben den Vorteil, dass die Funktion auf jedem halbwegs aktuellen Androiden von Haus aus vorhanden ist. Die Installation von Skype ist daher nicht zwingend nötig, wenn Sie Bild-zu-Bild telefonieren möchten. Im Gegensatz zu Skype sind sie bei GTalk erreichbar, ohne eine extra App zu starten. Einzig das Fehlen eines offiziellen GTalk-Clients unter iOS trübt etwas das Bild, doch auch hierfür gibt es mit iPhone-Apps wie Vtok [8] Alternativen.
Des weiteren ist GTalk kein geschlossenen System, bei dem Sie zwingend einen Google-Account besitzen müssen. Das zugrunde liegende XMPP-Protokoll ist offen und GTalker führen problemlos mit anderen Jabber-Accounts – so der Spitzname des Protokolls – Chats oder Audio- und Video-Telefonate. Eventuell besitzen Sie sogar schon einen Jabber-Account ohne Google, Ihre E-Mail-Adresse bei 1&1, GMX und Web.de ist automatisch auch eine Jabber-Adresse [9].