Facebook nervt mit Werbung, Datenschutzpannen und einer unübersichtlichen Benutzeroberfläche? Klopfen andauernd unbekannte Leute an, die unbedingt Freundschaft schließen möchten? Google+ kennt keines dieser Probleme, lockt obendrein mit interessanten Zusatzfunktionen und schickt sich sogar an, seinem direkten Konkurrenten den Rang abzulaufen. Selbstverständlich gibt es auch eine App dafür.
Google ist zum Synonym für die Suche im Internet geworden. Bei sozialen Netzwerken zeigte das Unternehmen jedoch ein weniger glückliches Händchen. Sein Dienst Wave schaffte es zwar bis in die Tagesschau, die Internetnutzer konnten mit ihm aber offenbar nur wenig anfangen [1]. Twitter und Facebook schienen dem Suchmaschinengiganten zusehends Nutzer abzuwerben. Mit Google+ soll das anders werden – und die Chancen stehen nicht schlecht.
Schon drin
Wer ein Benutzerkonto bei Google besitzt, erhält automatisch Zugang zu Google+. Man muss lediglich google.de ansteuern, sich Anmelden und dann links oben in der Ecke auf den eigenen Vornamen klicken. Auf den ersten Blick wirkt Google+ wie ein aufgeräumter und ziemlich dreister Facebook-Klon: In der Mitte sieht man eine lange Liste mit Kurzbeiträgen von Bekannten und Freunden, den sogenannten Stream (Abbildung 1). Über ein simples Eingabefeld am oberen Seitenrand hinterlässt man selbst kurze Nachrichten, sein Befinden oder andere Texte, die via Teilen umgehend in den Streams der Bekannten und Freunde auftauchen. Beiträge darf man Kommentieren und somit eine kleine Diskussion anstoßen. Per Teilen weist man auf den Beitrag in einem neuen eigenen hin – das spart das Abtippen. Rechts in der Ecke eines Beitrags wartet ein kleines Kontextmenü, über das man anstößige Texte an Google verpetzt (Missbrauch melden), den Beitrag aus dem eigenen Stream ausblendet (Diesen Beitrag ignorieren) oder gar die nervende Person komplett blockt.

Störe meine Kreise
Damit enden allerdings auch schon die Gemeinsamkeiten zu Facebook. So muss man bei Google+ keine (Schein-)Freundschaft eingehen, nur um die Beiträge einer Person im eigenen Stream lesen zu dürfen. Stattdessen genügt es, die entsprechende Person in eine von mehreren Gruppen aufzunehmen. Dazu wechselt man auf die Seite hinter dem Kreissymbol (rechts neben dem Google+-Logo das vierte Symbol von links), wählt Personen suchen, tippt in das Eingabefeld rechts daneben (Namen eingeben) den Namen der Person und zieht dann einfach ihr Symbol in einen der Kreise am unteren Rand (Abbildung 2). Sie repräsentieren jeweils eine Benutzergruppe, die Google+ sinnigerweise als Kreise (Circles) bezeichnet. Eine neue Gruppe – Pardon, Kreis – erstellt man schnell, indem man den leeren Kreis ganz links anklickt oder einen der Kontakte von oben auf ihn zieht. Google selbst bringt bereits ein paar Kreise für typische Personengruppen mit, etwa die Familie oder Freunde. Welche Personen man in welchen Kreis setzt, bleibt einem natürlich selbst überlassen. Um eine Person wieder herauszuschmeißen, markiert man das Profilbild und wählt dann entfernen. Übrigens erfährt die Person davon, wenn man sie in einen Kreis aufnimmt, aber nicht, wenn man sie wieder aus ihm hinauswirft. Darüber hinaus kann sie ihre Aufnahme in einen Kreis nicht verhindern.

Die Kreise schaffen bei vielen Bekannten nicht nur Übersicht, sondern haben auch noch eine weitere wichtige Funktion: Bei der Eingabe eines Beitrags lässt sich genau festlegen, welche Kreise ihn lesen dürfen (Abbildung 3). Eine nur für die Personen im Kreis „Freunde“ geschriebene Party-Einladung bleibt somit vor den Augen des Chefs aus der Gruppe „Arbeit“ verborgen. Schaltet man den Text öffentlich, bekommen ihn alle Internetnutzer zu Gesicht, er taucht dann sogar in den Suchergebnissen von Google auf. Zusätzlich darf man seit Kurzem anderen Benutzern verbieten, den Beitrag zu kommentieren oder gar zu teilen und somit weiterzuverbreiten. Die entsprechenden Funktionen bekommt man allerdings erst zu Gesicht, wenn man losgetippt hat und dann neben der bonbonbunten Schaltfläche mit dem Kreisnamen rechts auf das unscheinbare graue Dreieck klickt.

Zurück zum Stream geht es wieder mit dem Übersicht-Symbol (das mit Haus rechts neben dem Google+-Logo). Alle vorhandenen Kreise erscheinen an linken Seitenrand unterhalb des Profilfotos. Ein Klick auf einen von ihnen zeigt nur noch die Beiträge der Personen aus diesem Kreis. Stream kehrt wieder zur kompletten Liste zurück.
Tacker
Über die Symbole rechts im Eingabefeld heftet man an einen neuen Beitrag (von links nach rechts) ein Foto, ein Video, einen Link oder den eigenen Standort. Über die Kamera lassen sich nicht nur Fotos hinzufügen, sondern auch für thematisch zusammengehörende Bilder gleich ein Album erstellen. Sämtliche hochgeladenen Fotos und Alben verwaltet man hinter der Fotos-Schaltfläche (zweites Symbol rechts neben dem Google+-Logo) in der Rubrik Meine Alben (Abbildung 4). Die einzeln in Beiträgen veröffentlichten Fotos sammelt Google+ hier im Album Fotos von Posts. Mit einem Klick auf eines der Alben erscheinen alle darin enthaltenen Fotos. Ein weiterer Klick auf eines davon öffnet eine neue Anwendung, in der man das Foto unter anderem drehen, löschen und via Teilen in einen neuen Beitrag einfügen kann (Abbildung 5). Zurück zu Google+ kommt man über das X-Symbol am oberen Rand.

Die über das Kamera-Symbol hochgeladenen Fotos und angelegten Alben landen übrigens automatisch auch immer beim Bilderdienst Picasa. Videos schiebt Google+ zwar noch nicht auf YouTube, dort veröffentlichte Videos lassen sich aber direkt in den eigenen Beitrag einbinden. Dazu klickt man auf das Fernsehsymbol im Eingabefeld, wählt aus dem Kontextmenü YouTube und tippt den Namen des Videos ein. Seine übrigen Anwendungen und Dienste hat Google allerdings noch nicht mit Google+ verzahnt. Die Links in der schwarzen Leiste am oberen Rand öffnen die jeweilige Anwendung lediglich in einem eigenen Tab beziehungsweise Fenster. Immerhin darf man jederzeit über das kleine Eingabefeld ganz rechts oben fix einen neuen Kurzbeitrag auf Google+ absetzen.
Bonusprogramm
Links neben dem Stream wartet eine kleine Chat-Funktion. Bevor man über sie diskutieren kann, muss man die Gesprächspartner zunächst einladen. Dazu tippt man ihren Namen in das Eingabefeld und wählt aus dem Kontextmenü Zum Chat einladen (Abbildung 6).

Alternativ bietet Google+ unter dem Namen Hangout eine Videokonferenz. Sie muss man lediglich am rechten Seitenrand über die entsprechende Schaltfläche starten und dann ein Plugin im Browser installieren. Die dazu notwendigen Schritte hängen vom verwendeten Betriebssystem ab, in der Regel folgt man nach einem Klick auf den grünen Knopf den angezeigten Anweisungen. Nach der Installation fragt Google+ in einem neuen Fenster, ob die Frisur sitzt und fordert auf, eine weitere Person oder gleich einen ganzen Kreis in die Videokonferenz zu holen. Dazu klickt man auf Kreise oder Personen hinzufügen? und entscheidet sich für einen Kreis. Um nur eine Person zu sehen, tippt man direkt ihren Namen ein. In eine laufende Konferenz springt man über das grüne Hangout beitreten. Über die Symbole links unten kann man zum Videobild einen Chat aktivieren und YouTube-Videos hinzuholen einbinden.
Einer der Erfolgsfaktoren von Facebook waren und sind die Spiele. Kein Wunder also, dass auch Google+ solche anbietet. Die derzeit noch etwas magere Auswahl findet man hinter dem Spielesymbol (fünftes Symbol neben dem Google+-Logo).
Profiliert
Jeder Google+-Benutzer besitzt ein eigenes Profil, eine Art virtuelle Visitenkarte. Ihr Aussehen verändert man hinter dem Symbol mit dem Kopf (drittes von links neben dem Google+-Logo). Prinzipiell sind alle hier aufgeführten Informationen für alle Internetbenutzer sichtbar, es genügt eine kurze Google-Suche nach Vor- und Zunamen. Google+-Benutzer erreichen das Profil zudem mit einem Klick auf das Profilfoto im Stream. Man sollte sich daher gut überlegen, welche Informationen man hier preisgibt.

Um Informationen hinzuzufügen, auszublenden oder nur für bestimmte Kreise zugänglich zu machen, klickt man auf Profil bearbeiten und dann auf die Information, die man ändern möchte (Abbildung 7). Ein Klick auf das große Foto tauscht dieses beispielsweise gegen ein anderes aus.
Auf dem Register Fotos finden sich alle irgendwann einmal veröffentlichten Bilder – Picasa-Alben eingeschlossen. Sehen können die Bilder hier ausschließlich die Personen, für die sie jeweils freigegebenen wurden. Vorbeischlendernde Internetnutzer sehen also nicht das Familienalbum, sondern nur öffentliche Bilder. Die Alben und Freigaben verwaltet man über den schon weiter oben angesprochenen Fotos-Knopf (zweites Symbol rechts neben dem Google+-Logo).
Weitere (Persönlichkeits-)Einstellungen verbergen sich im Menü hinter dem Zahnrad ganz rechts oben in der Ecke und dem Punkt Google+ Einstellungen. Dort kann man beispielsweise Lesern das Herunterladen von Fotos verbieten oder Google+ veranlassen, bei neuen Kommentaren eine E-Mail zu schicken. Interessant ist auch die Möglichkeit der Datensicherung. Hier kann man sich alle eingestellten Beiträge, das Profil, die Bilder und alle Kontakte herunterladen – Facebook gibt alle diese Daten nicht so einfach raus.
App-solut
Alle bislang beschriebenen Funktionen lassen sich aus jedem aktuellen Browser heraus nutzen. Das gilt auch für Mobilgeräte ab Android Verison 1.5 – verspricht zumindest Google. Damit man sich auf kleinen Bildschirmen nicht zu Tode fummelt, gibt es selbstverständlich auch eine App. Sie heißt wie der Dienst und ist kostenlos im Android Market zu haben [3]. Sie benötigt mindestens Android 2.1 und verlangt bei der Installation zahlreiche Zugriffsrechte. Im Gegenzug bietet sie aber auch Zugriff auf alle Google+-Funktionen – einschließlich Hangout.
Bei ihrem ersten Start möchte die App zunächst das Konto wissen, mit dem man Zugang zu Google+ erhält. Nachdem man die Nutzungsbedingungen abgenickt hat, bietet die App an, zukünftig alle geschossenen Fotos sofort im Hintergrund auf Google+ hochzuladen. Veröffentlichen muss man die Bilder dann allerdings noch separat. Sofern man unsicher ist, Google misstraut oder schlichtweg Bandbreite sparen möchte, wählt man hier Sofort-Upload deaktivieren. Geknipste Fotos bleiben damit erst einmal dem Smartphone. Erst wenn man später in einen Beitrag einbindet, lädt sie die App auch auf Google+.
Angezapft
Sind alle Fragen geklärt, erscheint das Hauptmenü aus Abbildung 8. Stream führt direkt zur Liste mit sämtlichen Beiträgen aller Kontakte (Abbildung 9). Um einen Beitrag einzeln zu lesen, muss man ihn im Stream einmal antippen. In dieser Ansicht hat man dann auch am unteren Rand die Möglichkeit ihn zu kommentieren (Abbildung 10). Findet man den Beitrag gut, verkündet dies +1 [2].

In der Stream-Ansicht gibt man über die Symbole am oberen Rand gibt man von links nach rechts seinen Standort kund, teilt ein Bild oder setzt eine neue Nachricht ab. In letztem Fall erscheint das Formular aus Abbildung 11.
Dort wählt man ganz oben die Kreise, in denen der Beitrag auftauchen soll, tippt darunter die Meldung ein und heftet via Kein Standort angegeben seine aktuellen Standortdaten an. Grundsätzlich wertet die App dabei sowohl den GPS-Sensor, als auch Informationen über die verfügbaren WLANs in der Umgebung aus. Über die letzten beiden Schaltflächen im Formular fügt man noch ein Foto hinzu oder legt gleich ein ganzes Album an.
Möchte man nur die Beiträge aus einem Kreis lesen, tippt man im Hauptmenü auf Kreise, wählt den entsprechenden aus und stellt sicher, dass am unteren Rand Beiträge aktiviert ist. Um die Beiträge einer einzelnen Person zu sehen, wählt man im Hauptmenü Kreise, dann am unteren Rand Personen und schließlich den entsprechenden Kontakt. In den Listen fügt man über das +-Symbol am oberen Rand einen weiteren Kreis respektive neuen Kontakt hinzu, das Sprechblasensymbol in der Detailansicht öffnet schließlich einen kleinen Chat. Am unteren Rand führt Fotos zu den freigegebenen Alben. Sieht man alle Beiträge aus einem Kreis, listet Personen die in diesem Kreis befindlichen Kontakte auf.
Hat man die Darstellung auf die Beiträge einer Person beschränkt, führt Über zu ihrem Profil. Das eigene Profil erreicht man im Hauptmenü über den Kreis mit dem eigenen Antlitz. Die dahinter stehenden Seiten funktionieren wie bekannt: Fotos führt zu den eigenen Fotoalben, der mittlere Knopf zeigt alle eigenen Beiträge und Über führt zu den Profildaten.
Im Hauptmenü gelangt man mit der Schaltfläche Fotos zur Foto- und Albenverwaltung, über den Messenger stößt man explizit einen neuen Chat an. Beide Funktionen sind intuitiv zu bedienen: In der Fotoverwaltung tippt man sich über die Alben und den darin enthaltenen Übersichten zu einem Foto (Abbildung 12), über das Kamerasymbol rechts oben stellt man ein neues in den Stream. Beim Messenger tippt man auf das Sprechblasensymbol, gibt den Namen einer Person oder Kreises ein und chattet los.

Einem Hangout konnte man bei Redaktionsschluss über die App nicht starten, sondern nur einem vorhandenen beitreten – und das auch nur, wenn das Gerät über eine Frontkamera verfügt. Vorhandene Hangouts zeigt die App im Stream bei der teilnehmenden Person an. Ein Tipp auf die entsprechende Schaltfläche betritt dann die laufende Videokonferenz.

Fazit
Gerade erst seiner Testphase entwachsen, schreitet die Entwicklung an Google+ weiter munter voran. In recht kurzen Abständen kommen neue praktische Funktionen hinzu, zuletzt etwa das Sperren von Kommentaren. Für die Zukunft wünschenswert wäre eine weitere Integration der übrigen Google-Dienste. So wäre es ungemein praktisch, einen auf Google+ geposteten Termin direkt in den eigenen Google Kalender übernehmen zu können.
Dennoch spricht bereits jetzt viel für Google+: Nach einer kleinen Eingewöhnungsphase lässt sich das soziale Netzwerk erstaunlich intuitiv bedienen. Im Gegensatz zu Facebook ist Google sichtlich um die Privatsphäre und den Datenschutz bemüht. Andererseits übergibt man seine Daten einem großen Internetkonzern, der hauptsächlich mit Werbung Geld verdient. Man muss folglich darauf vertrauen, dass ein Familienfoto auch ein Familienfoto bleibt und nicht doch irgendwo an anderer Stelle ins Internet sickert.